Ebook oder Totholz? Eine Entscheidungshilfe

In meinem Bekanntenkreis gibt es grundsätzlich zwei Fraktionen: Die einen, die grundsätzlich lieber „normale“ Bücher aus Papier lesen (im folgenden „Totholz“ genannt – nicht despektierlich, ich mag Bücher, der Begriff hat sich einfach nur eingebürgert) und diejenigen, die mittlerweile Ebooks den Vorzug geben.
Und eine kleine Fraktion ist im Wandel: Diejenigen, die nicht genau wissen, ob Ebooks für sie das bessere Medium sind. Für diejenigen habe ich einmal versucht, zu sammeln, was für und was gegen Ebooks spricht.
Vorweg: Ich bin Inhaber des Böser Drache Verlages und Autor meiner auf dieser Seite erwähnten Publikationen, sonst habe ich mit niemandem Verbindungen. Ich werde also weder von Amazon noch von Kobo oder Tolino-Allianz bezahlt – außer, dass ich bei all diesen Plattformen natürlich verkaufe, erhalte ich also für diesen Blogpost kein Geld.

Update, 8.6.: Nach einigen Hinweisen habe ich noch den Absatz über verschwundene Bücher und über Lebensdauer hinzugefügt. Beides sehr valide Dinge, die ich nicht auf dem Schirm hatte.

Update, 21.6.: Natürlich ist seit ein paar Tagen auch der DRM-Artikel online, den ich unten mal erwähne.

Preis

Klar, zunächst einmal geht es um Geld. Was will jemand, der Ebooks liest? Er will Bücher lesen, genau wie der Totholz-Leser, und das kostet Geld.
Derzeit ist es (noch) so, dass Ebooks nicht viel billiger sind als Softcover-Ausgaben von Büchern. Viele Verlage haben ein, zwei Euro Unterschied. Wenn man bedenkt, dass ein ordentlicher Reader mit etwa 100 Euro zu Buche schlägt, braucht man schon ca. 50 Bücher auf dem Ebook-Reader, bis man das Geld wieder raus hat.
Ich selbst gehöre zu den rühmlichen Ausnahmen: In meinem Böser Drache Verlag kostet das Ebook von Bernsteinkugeln z.B. 6,99, das Totholz-Buch 12 Euro. Ich habe dazu schon einmal mehr geschrieben, warum ich die Preispolitik gerade der großen Verlage völlig unverständlich finde. Aber immerhin: Wer 20 Kopien von Bernsteinkugeln als Ebook kauft, hat den Preis vom Ebook-Reader gegenüber dem Totholzbuch schon raus (mit 100 Euro gerechnet). Zugegeben, das Szenario ist nicht sehr realistisch (aber hey, wenn das jemand machen möchte, werde ich ihn oder sie hier an dieser Stelle gerne öffentlich loben! Schickt mir einfach eine Mail ...)
Steigt man irgendwann aber ganz von Totholz auf Ebook um, so wird man irgendwann schon eine gewisse Preisersparnis haben. Man hat allerdings die Anschaffungskosten, die man erst einmal investieren muss.
Auf Dauer muss der Ebook-Reader dann noch mit Strom versorgt werden, aber das hält sich in Grenzen: Wenn man einen Kindle Paperwhite (mehr zu den Modellen an anderer Stelle) eine Nacht lang am Strom lässt, hält der ca. 4-8 Wochen. Das ist ein echter Erfahrungswert. Ein Kobo Aura H2O hält nicht ganz so lange, aber auch der hat keinesfalls Smartphone-Entladezeiten. Ein Bekannter erzählte neulich, dass er seinen Tolino Shine alle 2 Monate einmal laden würde, das scheint also auch in dem Rahmen zu liegen. Ich habe keine seriöse Quelle für die Stromkosten zur Hand, behaupte aber einfach mal, dass die sich im Rahmen halten.
Mein Fazit: Ebooks und Totholz-Bücher sind derzeit ähnlich teuer. Wenn sich eine andere Sichtweise durchsetzt, mögen Ebooks wirklich billiger werden. Aber derzeit ist der Preis kein nennenswertes Argument für beide Seiten.

Lesbarkeit

Wer bisher immer nur einen spiegelnden Computer-, Smartphone- oder Tabletbildschirm kennt, wird sich kaum vorstellen können, darauf einen kompletten Roman zu lesen. Und das ging mir lange genauso.
Bis ich zum ersten Mal wirklich ein Buch auf einem E-Reader las. Das ist eine ganz andere Sache: Ein E-Reader ist wirklich von der Oberfläche her Papier nachempfunden. Die Kontraste sind bei allen mir bekannten Modellen klar und auch im Sonnenlicht gut zu lesen.
Generell hat der Reader echte Vorteile bei der Lesbarkeit: Leute mit schlechten Augen können die Schrift nach Belieben vergrößern (oder, wenn die Seite nicht genug enthält, auch verkleinern). Das geht mit einem Totholzbuch nicht. Wenn das in 10-Punkt-Schrift gedruckt ist, ist das eben in 10-Punkt-Schrift gedruckt und bleibt so, da kann höchstens noch eine umständliche Lupe etwas dran ändern.
Es gibt Unterschiede in Qualität und Auflösung, aber die Anforderung, dass man auf dem Reader gut und ohne Ermüdungserscheinungen (die vom Reader her kommen) lesen kann, erfüllen alle, die ich bisher gesehen habe.
Ach ja: Das gilt nicht für Tablets und PCs, die eine E-Reader-Funktion haben (eine Kindle App gibt es z.B. für viele wichtigen Betriebssysteme, viele Anbieter bieten auch direkt das Lesen des Ebooks im Browser an). Das ist wieder eine spiegelnde Oberfläche, sprich, das ist qualitativ nicht perfekt und ermüdet. Wer einen E-Reader ausprobieren will, sollte einen wirklichen Reader ausprobieren, kein anderes Gerät.
Einen kleinen Wermutstropfen sehe ich bei Fußnoten, die oft ans Ende des Kapitels statt auf die aktuelle Seite gesetzt werden (beim Ebook): Da muss man draufklicken, damit man sie sieht, man kommt mit einem Klick auch wieder zurück (also draufpatschen, mit der Hand). Das war bisher aber nur bei einem Buch ein wenig störend. Gerade Romane enthalten ja meist nicht viele Fußnoten.
Insgesamt sehe ich in diesem Punkt ein klares Plus für das Ebook.

Haptik

Über diesen Punkt sollte man sich im Klaren sein, er ist für viele ein Argument: Viele sagen, sie brauchen das Gefühl, ein Buch in der Hand zu haben.
Ich brauche das nicht mehr. Das heißt nicht, dass ich diesen Leuten allen unterstelle, zu lügen oder sich etwas vorzumachen. Die meisten Reader sind deutlich leichter als etwas dickere, meist schon als mittlere Bücher. Und einen Brandon Sanderson-Roman, der locker 400.000 Wörter umfassen kann, als Hardcover in der Hand zu halten ist schön (und gibt einem ein ordentliches Backsteingefühl). Ich mag das auch. Aber wenn ich das lesen will, schadet der Reader dabei gar nicht.
Einen solchen Backstein (z.B. im Bett) offen zu haben und darin zu blättern, kann schon ein wenig nerven. Das kann man aber auch ganz anders sehen.
Bücher riechen anders. Viele mögen den charakteristischen Papiergeruch. Papier riecht anders als ein Reader. Das stimmt, und noch kenne ich keinen Reader, der Papiergeruch imitiert.
Hier gebe ich natürlich keine Wertung ab. Die Punkte, die ich genannt habe, sind für jede Person anders wichtig und werden anders gewertet.

Bücher sehen toll aus

Das stimmt, viele Bücher sehen gut aus. Manche Reihen haben Rücken, die zusammen nochmal ein eigenes Bild ergeben. All das haben Ebooks natürlich nicht. Und da sie meist nur ein Schwarz-Weißes Display haben, kommt auch da das Titelbild nicht so zur Geltung wie im Druck.

Platzverbrauch

Das ist mein Standardargument und der Hauptgrund, warum ich auf Ebooks umgestiegen bin (ursprünglich mal): In meinem Regal ist kein Platz mehr. Ein Ebook-Reader bietet Platz für irrsinnig viele Bücher, mehr als ich in den nächsten Jahren lesen kann. Und selbst, wenn er voll ist, kann ich Bücher runterwerfen, die Anbieter speichern, welche Bücher ich hatte. Kaufe ich einen neuen Reader derselben Firma, habe ich dieselben Bücher wieder. Und ich nehme den Reader mit und habe sie alle dabei.
Was Platz angeht, ist der Sieger keine Frage: Der Ebook-Reader ist da unschlagbar.

Verleihbarkeit und Verschenkbarkeit

Ich habe länger darüber nachgedacht, wie ich das nennen soll. Ein Totholz-Buch kann man verleihen, man kann es neu oder nachdem man es gelesen hat verschenken oder weiterverkaufen. All das ist mit dem Ebook schwierig.
Natürlich kann man seinen Reader verleihen, aber dann verleiht man ja alle Bücher, nicht nur eines. Das will man ja in der Regel nicht. Ferner kann man sich natürlich zwei Reader besorgen und einen verleihen – aber dann hat der Leihende auch direkt Zugriff auf alle eigenen Bücher (zumindest die, die der Anbieter des Readers von einem selbst speichert. Da die meisten Leser bei einem Anbieter bleiben, sind das in der Regel alle.)
Ich habe heute zum ersten Mal die Frage gestellt bekommen, ob ich das dann überhaupt darf. Ich habe natürlich das Recht, meinen Reader zu verleihen, das ist ein physikalisches Ding, das mir gehört. Aber darf ich das auch mit den Büchern drauf? Sonst könnte ich mit zwei Leuten einen Account bei einem Anbieter anlegen und beide Reader drauf synchronisieren ... der eine Reader ist dann nur verliehen. Ich weiß nicht, ob das legal ist.
Digitale Inhalte kann man bisher nicht vernünftig verleihen. Man kann sie auch nicht weitergeben, wenn die Rechte technisch gesichert werden (mittels des sogenannten Digital Rights Management, DRM, mehr dazu unten). Der Böse Drache Verlag tut es da anderen Verlagen gleich (wie z.B. dem großen amerikanischen Fantasy/SF-Verlag Tor) und bietet alle Ebooks ohne solche Einschränkungen an.
Auch das Verschenken ist schwierig. Der Böse Drache Verlag erlaubt das Verschenken von digitalen Inhalten – indem man das Buch auf den eigenen Geräten löscht und den Inhalt dann weitergibt. Ferner erlaube ich auch den Verleih innerhalb der eigenen Familie oder eine Vier-Leute-WG. Dazu habe ich einen umfangreichen Disclaimer geschrieben, den man am Anfang des Bernsteinkugeln-Ebooks findet (und der wohl in ähnlicher Form auch in zukünftige Publikationen kommt). Sicher wird es da Lücken geben. Aber vor Allem: Das kontrolliert natürlich niemand, wie auch.
Es gibt allerdings bereits Bibliotheken, die Ebooks verleihen. Da wird per DRM dafür gesorgt, dass das Buch nach einiger Zeit wieder vom Reader verschwindet.
Die hier auftretenden Probleme sind aber insgesamt noch schlicht ungelöst. Die Antwort wird wohl einfach lauten: Nein, Ebooks verleihen und verschenken ist noch ein Problem.
Das schlichte Weiterkopieren von Inhalten ist natürlich schädigend für die, die Bücher machen (also Autoren, Verlage und damit Verlagsmitarbeiter). Denn diese Bücher werden ja in der Regel nicht mehr gekauft. Wobei es auch hierzu einen Gegenstandpunkt gibt, den ich auch nachvollziehen kann: Seitdem ich bei youtube von quasi allen wichtigen Bands Videos von fast allen ihren Stücken schauen kann, kaufe ich mir mehr Alben von Bands. Ich höre halt vorher rein, denke, hey, das ist gut, und dann kaufe ich das Album (und habe ab dem Moment nun wirklich kein schlechtes Gewissen mehr, das Lied, wo auch immer ich will, bei youtube zu hören, selbst wenn es illegal hochgeladen wurde). Aber dafür biete ich hier auf meiner Webseite und bei den Anbietern des EBooks Leseproben. Und das tut meines Wissens nach fast jeder.
Aber hier sind wir bei einem Kernpunkt der Auseinandersetzung: Leute, die ethisch handeln wollen, brauchen keinen Anreiz, um ethisch zu handeln. Man sollte ihnen ethisches Handeln nur ermöglichen. Aber den Rest dieser Diskussion verschiebe ich nun wirklich auf einen anderen Blogpost, hier geht es nur um Vor- und Nachteile von Ebooks.
Fazit: Verleihen, verschenken und verkaufen ist mit Totholzbüchern einfacher und klarer geregelt. Einfaches Kopieren hingegen schadet den Urhebern.

Digital Rights Management

Digital Rights Management (DRM) ist der Name des Kopierschutzes für Ebooks. Eine laienhafte Erklärung dazu: Der Text eines Ebooks wird nicht als Text gespeichert, sondern verschlüsselt. Nur in Verbindung mit dem richtigen Account (entweder auf dem Reader oder in einer App, die mit dem eigenen Account verknüpft ist) kann das Buch gelesen werden.
DRM hat technische Probleme. Insbesondere ist der Industriestandard Adobe-DRM relativ einfach für den Anwender zu entfernen (ich weise jetzt lieber nicht auf die Möglichkeiten hin, aber es gibt sie). Ich mag auch gerade rechtlich nicht beurteilen, ob es erlaubt ist, den Kopierschutz zu entfernen, wenn man z.B. ein bei Amazon gekauftes DRM-Buch gerne auf einem Kobo-Reader lesen möchte. Ganz sicher darf man aber ein gekauftes Buch nicht weitergeben.
Mein Hauptproblem mit DRM ist, dass es eine weitgehend wirkungslose Hürde für den ehrlichen Anwender darstellt. Ich möchte meine Bücher halt gerne auf verschiedenen Geräten lesen (ich habe einen kleinen Sony Reader und einen Kobo). Der Witz ist: Wenn ich das Buch kaufe und bezahle, kann ich das bei einem DRM-Buch nicht, wenn ich das Buch illegal besorge, hat das keinen Kopierschutz und ist so übertragbar. So stehe ich als zahlender Kunde schlechter da als als Raubkopierer.
Ich höre an dieser Stelle auf, über DRM zu reden und verweise auf einen eventuell zukünftig von mir zu erstellenden Artikel, den ich noch schreiben will (und den ich dann hier verlinke. Solange kein Link da ist, gibt es den also noch nicht.) Als Literatur empfehle ich allen, die des englischen Lesens mächtig sind, solange das Buch von Cory Doctorow: Information doesn’t want to be free. Es gibt eine tolle Lesung dessen von Wil Wheaton, für diejenigen, die es lieber hören wollen.
Ob ein Ebook DRM hat oder nicht, ist bei dem Buch im Onlineshop normalerweise angegeben.
Fazit: Wenn ein Buch DRM hat, ist das für mich ein klares Kriterium für das Totholz-Buch, sonst nicht.

Freie Bücher

Bücher, deren Autoren länger als 70 Jahre tot sind, sind gemeinfrei. Auf Webseiten und bei vielen Anbietern kann man sich deren Werke umsonst herunterladen und auf seinen Reader packen. Natürlich gibt es diese Bücher oft auch gedruckt, logischerweise auch nicht sehr teuer – aber sie sind dann nicht umsonst. Ich selbst habe gerade z.B. Nils Holgersson gelesen, ohne das zu bezahlen, und das natürlich nicht illegal.
Fazit: Definitiv ein Vorteil des E-Readers.

Verschwundene Bücher

Mir ist bisher nur ein solcher Fall bekannt, aber der ist an sich schon dem Inhalte nach pikant: 2009 hat Amazon die Ausgaben von Büchern von George Orwell - unter anderem bezeichnenderweise von 1984 - von den Kindle-Readern gelöscht.
Das ist meines Wissens nach danach nicht mehr vorgekommen. Aber was mich deutlich mehr stört als die Tatsache an sich (die ist schlimm genug), ist, dass Amazon das grundsätzlich KANN. Davon würde ich, naiv wie ich bin, erst einmal nicht ausgehen.
Das geht aber nur mit DRM-Büchern (zumindest kann man die anderen vorher sichern), und von anderen Anbietern kenne ich solche Geschichten nun gerade nicht.
Fazit: Hinterlässt einen blöden Geschmack. Aber für die anderen Anbieter gilt da doch zunächst die Unschuldsvermutung, und Amazon hat wohl danach auch verkündet, dass sie das nicht mehr tun wollen. Definitiv ein Vorteil für das Totholzbuch: Das nimmt mir niemand weg.

Lebensdauer

Generell denke ich zwar, dass Ebook-Reader darauf ausgelegt sind, länger zu halten, aber ich bin dennoch recht sicher, dass die nach einigen Jahren oder Jahrzehnten den Geist aufgeben. Da es Bücher gibt, die mehrere hundert Jahre alt sind, kommt der Ebook-Reader da wohl nicht mit.
DRM-freie Bücher kann man als Datei natürlich beliebig lange lagern (solange man ein Speichermedium hat, wo sie draufpassen und das weiterkopiert, bevor das Speichermedium unbrauchbar wird). Das ist eventuell ein wenig mehr Aufwand als bei Totholz-Büchern, andererseits sind Ebooks nicht sehr groß und bei einer ordentlichen Backup-Strategie auch so lange haltbar, wie unsere Zivilisation hält.
Fazit: Mit DRM ein klarer Punkt für das Totholz-Buch, ohne DRM eventuell ein leichter Vorteil für das Totholz-Buch.

Bilder und Zeichnungen

Die gängigen Formate, in denen Ebooks angeboten werden, sind EPUB und MOBI. Beide sind im Endeffekt Containerformate, unter denen schlichtweg das WWW-Format HTML liegt, mit dem auch Webseiten gestaltet werden.
Warum ist das wichtig? Nun, HTML ist (ursprünglich) keine Sprache, die sagt „Da muss eine 1,3 cm hohe Überschrift über einen Text von 0,4 cm Höhe ...“ – sondern eine Auszeichnungssprache. HTML ist nicht zum Setzen von Text entwickelt worden. HTML sagt nur „Das ist eine Überschrift. Da ist ein Link zu einem anderen Text (einer andere Webseite). Da ist ein Bild, linksbündig.“ Der Browser erstellt dann, in Abhängigkeit von den Vorlieben des Benutzers, die eigentliche Seite – oder eben hier der Reader. Es ist eben nur die Information „Das ist eine Überschrift“ gespeichert, nicht die Information „Das muss in 12 Punkt“.
Und das tun damit auch EPUB und MOBI.
Das kann bei näherer Betrachtung ja auch gar nicht anders sein: Der Sehbehinderte liest seine Bücher gerne mit 0,8 cm hohen Buchstaben, der junge Scharfseher will das Gefühl, nach einer Seite wirklich etwas geschafft zu haben und einen guten Überblick zu kriegen und will nur 1 mm Buchstabenhöhe.
Dann passt es eben nicht, dass das Buch bei beiden gleich aussieht. Solange das nur Text ist, ist das auch völlig egal.
Blöd ist nur, wenn eine Zeichnung eine Überschrift umspielen soll. Dann kann man die Überschrift mit der Zeichnung als Bild speichern, dann stellt das auch der Reader richtig dar. Aber das gibt neue technische Hürden. In vielen Büchern, gerade im Fantasy-Bereich, sind vorne Karten. Aber auch in Ebooks von großen Verlagen sind diese manchmal zerschossen und sehen nicht richtig aus, oder man sieht nur die Hälfte.
Hat man also grafisch intensive Dinge (ein Extrembeispiel sind Comics), so sollte man diese nicht in einem Ebook-Format lesen. Hier bietet sich PDF an, das die Bilder so darstellt, wie sie sind.
Gängige Ebook-Reader sind allerdings nur schwarzweiß. Sprich, Comics sollte man darauf eh nicht schauen. Hier bieten sich Tablets an. Auf einem 10 Zoll-Tablet kann man einen nicht zu großen Comic ganz gut lesen. DIN A4 geht auch, wenngleich dann die Bilder und Texte doch deutlich verkleinert werden (oder es gibt eben eine Extra-Ausgabe für Tablets).
Ein ähnliches Problem haben mathematische Formeln. Meine Pläne, Mathebücher als Ebooks zu vertreiben, scheitern noch daran, dass ich keine gute Möglichkeit kenne, wie in LaTeX Formeln zu setzen, die dann am besten automatisch mitvergrößert werden. EPUB erlaubt da etwas, was ich mir noch nicht angeschaut habe, nur leider ist der Marktfüher Amazon, und die setzen immer noch auf das veraltete MOBI. Hier nun die Formeln als Bilder einzufügen ist vermutlich auch keine Lösung. Ich arbeite daran und melde mich.
Fazit: Wenn man nicht genau weiß, was man tut, sollte man bei Werken, bei denen man Wert auf die Gestaltung legt, zur Totholz-Variante greifen. Ausnahme sind PDFs, die auf Tablets gelesen werden.

Umweltverträglichkeit

Tja, da scheiden sich die Geister. Ich habe einen Bericht vom bayrischen Rundfunk gesehen, wonach man nach ca. 10 Büchern pro Jahr die Herstellung des Ebook-Readers gegenüber der Totholz-Variante „raushat“. Ich habe die Zahlen selbst nicht überprüft, aber hier mal der Link dazu: Link zum BR.
Zu Bedenken: Papierherstellung kostet Holz und Wasser, Ebook-Reader herzustellen kostet Energie, Metalle und evtl. seltene Erden.
Fazit: Wer über einen Ebook-Reader nachdenkt, liest wohl eh mehr als 10 Bücher pro Jahr ... oder? Dann hat das Ebook Vorteile. Unschlagbar ist allerdings das Leihen von Büchern in einer Bibliothek.

Haltbarkeit

Tja. Wenn ich ein Buch nehme und das dreimal voll auf den Tisch haue, wird das sicher Eselsohren oder auch einige verknickte Seiten, eventuell auch einen verknickten Umschlag haben.
Aber ich kann das Buch dann immer noch lesen.
Der Reader ist dann in der Regel hinüber. Wenn ich das richtig und ordentlich mache. Ebenso, wenn ich auf das Buch drauftrete. Blöd, dabei wird das dreckig und der Umschlag wird eingesaut. Normalerweise kann ich das dann aber noch lesen. Und wenn es wirklich im Eimer ist, ist ein Buch kaputt.
Bei einem Reader ist der Reader kaputt. Der ist in der Regel deutlich teurer.
Ebook-Reader vertragen Druck und vor allem Biegen nicht gut. Das ist ein Erfahrungswert ...
Fazit: Bücher sind robuster. Deutlich.

Gesamtempfehlung

Meine Gesamtempfehlung für die wahrhaft Unentschlossenen: Testet es aus. Nehmt einen Ebook-Reader in die Hand, leiht euch einen aus, schaut, ob ihr euch vorstellen könnt, den nächsten Song of Ice and Fire-Roman darauf zu lesen (nein, der soll auch bei mir ins Regal und wird als Totholz gekauft, keine Frage, aber stellt es euch vor).
Und schaut dann, wenn ihr euch für einen Reader entschieden habt, auf das jeweilige Produkt. Romane und viele Sachbücher kann man ganz hervorragend auf dem Reader lesen, aber bei Comics und Co sollte man doch zu anderen Formaten greifen.

Okay. Ich will einen Reader. Welchen? Und was soll ich tun?

Ich werde den Teufel tun und ganz klar einen Reader empfehlen. Dazu habe ich zu wenig Überblick, so hatte ich noch nie einen Tolino. Fakt ist, ich war weder von Kindle noch von Kobo enttäuscht.
DIE Software im Moment (Juni 2017) um Ebooks zu konvertieren und damit alles zu machen ist die freie Software Calibre. Damit kann man die auch lesen (ohne DRM natürlich).
Marktführer Amazon hat mit den Kindles (Achtung: Nicht Kindle Fire. Das sind Tablets, die zwar auch eine E-Reader-Funktion haben, aber kein Papier imitieren!) ordentliche Geräte mit tollem Preis-Leistungs-Verhältnis. Allerdings ist man in dem alten MOBI-Format gefangen (was für Romane egal ist). Freie EPUBs umzuwandeln ist mit Calibre kein Problem, aber DRM-Romane anderer Anbieter auf einen Kindle zu bekommen ist eben frickelig, das gilt natürlich auch umgekehrt.
Kobo ist ein Anbieter, mit dessen Aura H2O ich sehr zufrieden bin, aber das ist ein höheres Preissegment. Die können auch EPUB.
Tolino ist der Reader der großen deutschen Buchhandels-Ketten (Hugendubel, Mayersche, Thalia ...) Habe ich keinen von, scheinen aber auch gute Geräte zu sein, nach dem was ich lese und höre.
Weiter Anbieter gibt es auch noch (Pocket Book, TrekStore ...) – aber mit denen habe ich noch zu wenige Erfahrungen. Den Sony, den ich auch noch habe (einen 5-Zoll-Reader) habe ich hier auf der Webseite schon einmal erwähnt, aber den gibt es nicht mehr im regulären Handel.

Die Kosten beginnen meist mit sogenannten „Einsteigermodellen“ (wobei ich mich immer frage, warum man da „einsteigen“ muss) ab ca. 60 Euro, über „Standardmodell“ für ca. 100 Euro bis in die obere Klasse, wo man auch 200 Euro und mehr ausgeben kann.
Wichtig für die Kaufentscheidung sind für mich zwei Features, die ich nicht mehr missen will (zumindest nicht bei den höherpreisigen Geräten, bei meinem „Allzeit dabei“-Sony ist mir das egal): Beleuchtung und Webbrowser (den kann man bei WLAN auch im Garten benutzen, wenn die Sonne scheint, wenn man auf dem Laptop nix mehr lesen kann!) Der Rest ist für mich ein „Nice to have“, aber kein „Must have“. Aber das kann jeder selbst anders sehen.
Womit ich mich nicht beschäftigt habe, ist die Display-Technologie. Da muss man sich anderweitig umschauen. Ebenso habe ich noch nie Speicherplatzprobleme gehabt, so dass ich auch darauf nicht geachtet habe.
Ach ja, noch eine Empfehlung: Kauft direkt eine Hülle dazu. Echt. Die kostet meist ein paar Euro, aber die lohnen sich. So haben viele auch eine Weck- und Schlaffunktion, die den Reader automatisch in Standby schaltet, wenn man sie schließt, und weckt, wenn man sie öffnet. Und der Reader ist empfindlich.
Steckt den Reader nicht in die Hosentasche. Einmal Hinsetzen und leicht beugen, und das Display verabschiedet sich mit einem hörbaren Knacken.
Lacht nicht. Erfahrungswert.
In Gürteltaschen, außen, hatte ich bisher aber noch keine Probleme (eher geht der Knopf von der Gürteltasche auf, als dass der Reader beschädigt wird). Aber ich habe ja auch den Ehrgeiz, Modetrends nicht zu befolgen, sondern zu setzen, und habe darum eine Gürteltasche.

So. Das war es. Nun viel Spaß beim Entscheiden.