DRM

Ich habe mir in letzter Zeit, durchaus auch bedingt durch Cory Doctorows Buch “Information doesn’t want to be free”, Gedanken über DRM gemacht. Die meisten der Gedanken sind durch das Buch inspiriert, ich sage also nicht, dass ich mir das alles selbst ausgedacht habe.

 

Was ist DRM?

 

DRM steht für “Digital Rights Management”. Man stelle es sich vor wie eine Art “Kopierschutz für Bücher”. Da die Bücher einfach als Datei auf dem Reader bzw. Computer liegen, kann man die einfach so weiter kopieren. DRM verhindert dann, der Idee nach, dass man das Buch lesen kann, wenn man nicht mit dem entsprechenden Account verknüpft ist. Sprich, das Buch liegt verschlüsselt vor, und nur das autorisierte Leseprogramm bzw. der autorisierte Reader kann es anzeigen.

Die Idee ist natürlich, dass nur der das Buch lesen kann, der das Buch gekauft hat, und er das nicht weitergeben kann.

Das ist generell erst einmal nicht verwerflich. Die Produktion von “Bernsteinkugeln” hat Kosten im vierstelligen Bereich verursacht, die noch lange nicht eingespielt worden sind. Von meiner Arbeitszeit als Autor und Verleger habe ich noch gar nicht angefangen. Aber man mag mich für naiv halten, und ich mache noch genug Fehler, aber man lernt daraus: Natürlich habe ich das Interesse, auf Dauer auch Gewinn zu machen. Natürlich habe ich also das Interesse, dass derjenige, der das Buch liest, es auch bezahlt. Ich habe einen Preis festgesetzt, ich halte den nicht für überzogen und wer es lesen will, soll es also auch kaufen.

 

Wie sicher ist DRM?

 

Der aktuelle Standard ist Adobe DRM. Dieser Standard ist gebrochen, Programme zum Entfernen von Adobe DRM sind frei verfügbar. Ich weiss nicht, ob es illegal ist, auf solche Programme zu verlinken. darum werde ich das nicht tun. Ich werde auch nicht behaupten, dass man das für welchen Zweck auch immer machen darf. Das Entfernen des DRM ist ein wenig Aufwand, für nicht völlig Computer-unaffine Leute aber kein Problem. Selbst braucht man kein Wissen über Verschlüsselung.

 

Aber gehen wir einfach mal davon aus, dass es einen sicheren DRM-Standard gäbe. Man kann nur z.B. auf einem Kobo das Buch lesen, der dazu autorisiert ist, sonst geht das nicht.

Dann kann ich den Kobo auf meine Scanner legen und ihn einscannen. Dann blätter ich um und scanne die nächste Seite. Und so weiter.

Das ist Aufwand, aber nicht soviel Aufwand, wie das Buch abzutippen bzw. das Buch zu schreiben. Ich traue mir zu, damit in einer Stunde bei einem durchschnittlichen Roman fertig zu sein. OCR-Software ist heutzutage gut genug, um den Text dann aus der gescannten Datei lesen zu können.

Noch einfacher wäre der Weg über Bildschirmfotos, wenn man das Buch in einer Reader-App lesen kann. Da spart man sich auch das ganze Auf- und Zuklappen.

Sprich: Ich habe dann, auch wieder Aufwand vorausgesetzt, das Buch nach einiger Zeit als Text in der Datei und kann das weitergeben. Ich habe keine Idee, wie man das verhindern soll.

Das macht man sicher nicht mit Büchern von Autoren wie mir, die bisher niemanden interessieren. Wenn Stephen King einen Roman schreibt und veröffentlicht, wäre das aber ein durchaus realistisches Szenario.

DRM ist also ein Hindernis, aber keine Sicherheit, dass das Buch nicht weiter kopiert wird.

 

Was kann ich mit einem DRM-Buch also nicht?

 

Ein DRM-Buch kann ich nur auf einem Gerät lesen, das mit meinem Account verbunden ist. Ich selbst habe mehrere Geräte: Einen Kindle Fire, diverse Laptops, einen Reader von Kobo und einen Reader von Sony. Der Sony-Reader ist klein (ich schrieb einst schon davon) und ich habe ihn eigentlich immer dabei. Er ist aber mit keinem Ebook-Anbieter verbunden, ich kann da nur DRM-freie Bücher draufpacken. Da kann also kein Ebook drauf, das mit DRM geschützt ist.

Wenn ich also ein DRM-Buch bei Kobo kaufe, kann ich es nur auf dem Kobo-Reader lesen, auf den anderen Readern nicht. Hat der Anbieter eine App für einen Laptop (oder ein anderes Gerät), geht es darauf natürlich auch, aber halt nur auf diesen.

Ich kann das Buch auch nicht jemand anders weitergeben, weder, weil ich das weiterverkaufen oder weiterverleihen will (technisch mag es für letzteres Problem Lösungen geben, die z.B. das Buch nach einer gewissen Zeit löschen. Außer in Leihbibliotheken wäre mir eine praktische Nutzung aber derzeit unbekannt.)

Ich kann es kopieren (und sichern), aber ich kann es nicht auf einem nicht autorisierten Gerät benutzen. Für welche Geräte das möglich ist, entscheidet mein Anbieter.

 

Welche Risiken gehe ich mit DRM-Büchern noch ein?

 

Bei einer Aktion im Jahr 2009 löschte Amazon den TItel “1984” von George Orwell auf Kindle-Geräten, von Leuten, die ihn zuvor legal erworben hatten. Das geht nicht, wenn ich ein DRM-freies Buch habe, das ich vorher weiterkopiere. (Es waren noch mehr Titel dabei, ich finde 1984 aber am aussagekräftigsten …) Der Kaufpreis wurde natürlich gutgeschrieben, Amazon hat also “nur” ein (offenbar illegales) Kaufgeschäft rückgängig gemacht. Das ist rechtlich vermutlich sogar in Ordnung, das Geschäft rückgängig zu machen, ob das Löschen das ist, weiß ich nicht.

Ich weiß übrigens schlichtweg nicht, ob es technisch funktionieren würde, das Buch (als Datei) vorher zu sichern und dann wieder auf den (womöglich gleichen) Kindle zu schieben. Kann sein, dass da auch gespeichert wurde “Das Buch darf nicht gelesen werden”. Das kann ich leider nicht ausprobieren, dazu müsste Amazon mir ein Buch löschen.

Dies ist seitdem nicht mehr passiert, andere Anbieter haben das meines Wissens nach auch nie getan (wenn ich da irre, bitte ich um Nachricht), und Amazon hat erklärt, das auch nicht wieder tun zu wollen. Dass sie es können, ist ein ganz anderes Kapitel (und gefällt mir naturgemäß nicht - das finde ich persönlich am bedrohlichsten an der ganzen Geschichte. Das ist mein Gerät, ich habe das gekauft, ich will kontrollieren, was darauf ist). Aber dieses Damoklesschwert hängt über allen, die sich DRM-geschützte Bücher kaufen.

Was auch passieren kann: Dass der Anbieter pleite geht. Das ist erstmal nicht so schlimm, denn das Buch braucht keine Verknüpfung zum eigentlichen Konto (sprich, man muss nicht online sein, um ein DRM-Buch zu lesen). Aber irgendwann ist die Lebensdauer des Readers zuende.

Habe ich dann ein DRM-freies Buch, kann ich das vorher sichern (und sollte das auch tun). Das DRM-Buch ist dann auf dem Reader, und mit der Datei kann ich im Zweifel auf einem anderen Gerät nichts anfangen. Ein neues kaufen ist dann auch nicht möglich.

Ferner werde ich durch DRM an einen Anbieter gebunden: Wenn ich 200 DRM-Ebooks bei Amazon gekauft habe, habe ich Schwierigkeiten, zu Tolino zu wechseln, wenn mir deren neuer Reader besser gefällt als der Kindle. Die Amazon-Bücher sind dann nur noch über Kindle-Apps oder eben doch über einen neuen Kindle lesbar. Sind die Bücher DRM-frei, kann ich sie auf jedes Gerät spielen (wenn ich von einem anderen Reader auf einen Kindle will, muss ich das Buch evtl. von EPUB nach MOBI umwandeln, aber das ist legal und mit Calibre kein größeres Problem. Liegt daran, dass Amazon leider nicht auf den deutlich moderneren EPUB-Standard setzt.)

Kein Problem ist übrigens, wenn der Verlag aufgelöst wird, da das DRM nur etwas mit dem Ebook-Anbieter zu tun hat.

 

Aber DRM schützt doch die Verlage und Autoren!

 

Das ist vermutlich einer der größten Irrtümer: Es ist relativ einfach, den Kopierschutz zu umgehen. Der Schutz ist eher scheinbar, er baut einen Zaun auf, den man aber recht simpel überklettern kann. Und um den Vergleich weiterzuführen: Sobald einer den Zaun überklettert hat, hinterlässt er ein Seil, und jeder andere kann drüber - die Datei kann dann genauso weitergegeben werden. Gängige Bücher sind quasi direkt nach Erscheinen in den gängigen Tauschbörsen zu finden, wie ich in diversen Statements mitbekam, DRM ändert daran gar nichts.

Stattdessen gängelt DRM die Nutzer: Ich darf ein DRM-Buch nur auf dem Gerät nutzen, das mit dem Konto verbunden ist, über das es gekauft wurde. Auf meinen Sony-Reader kriege ich ein Kobo-DRM-Buch nicht, mit Calibre auf meinem PC kann ich es ebenfalls nicht lesen.

DRM schafft für mich also keinen Anreiz, das Buch zu kaufen. DRM schafft so eher einen Anreiz, das Buch aus einer illegalen Quelle zu besorgen: Da ist es bereits befreit, und ich kann es auf das Gerät packen, auf dem ich es gerade haben will.

Der illegale Nutzer wird so belohnt, weil sein Produkt schlichtweg universeller einsetzbar ist: Er kann das Buch auf jedem Lesegerät lesen. Der Erwerber einer legalen Kopie ist eingeschränkt.

Einer weiteren Idee nach schafft DRM den Anreiz, dass das Buch leichter legal zu erwerben ist. Cory Docotorow hat darauf die schönste Antwort gefunden: Leute, die ethisch handeln wollen, brauchen keinen Anreiz, um ethisch zu handeln. Sie brauchen aber keine Abschreckung, wenn sie ethisch handeln.

DRM bestraft die ehrlichen Leser.

 

Misslungener Kopierschutz …

 

Ein wenig aus dem Kontext gerissen noch folgendes eigenes Erlebnis: 2003 wurde das Iron Maiden-Album “Dance of Death” veröffentlicht. Ich fuhr also in den nächsten Medienladen und kaufte das Album.

Dann packte ich das Album direkt in meinen Auto-CD-Spieler. Das ging nicht. Dann fuhr ich mit dem Album nach Hause und packte es in einen CD-Spieler dort. Das ging auch nicht. Dann setzte ich mich an den PC, nahm ein simples Ripp-Programm (kein Hightech-Crackertool), rippte das Album und brannte mir eine neue CD.

Die lief anstandslos auf allen Geräten.

Das war mal ein so richtig wirksamer Kopierschutz.

Jemand, der sich einfach die MP3s aus einer Tauschbörse zog, hatte diese ganzen Probleme nicht. Ich war der Depp, weil ich ehrlich war. Und zwar nicht nur, weil ich bereit war, dafür Geld zu zahlen.

 

Mein Fazit

 

Der Böse Drache Verlag hat seine Entscheidung getroffen, sie steht auch in jedem Ebook: Wir folgen den Gewinnern. Einer der Gewinner der Szene ist Tor, der große amerikanische Fantasy und SF-Verlag. Tor veröffentlicht Bücher von Brandon Sanderson, Robert Jordan, John Scalzi, David Brin, … bei Tor UK war Douglas Adams … und ach, ganz viele andere Autoren.

Tor verwendet seit 2012 kein DRM.

Tor hat ein Jahr später festgestellt, dass der Verkauf von DRM-freien Büchern nicht dazu geführt hat, dass die Verkäufe zurückgehen.

Einfach ein weiterer Grund für den Böser Drache Verlag, auch kein DRM zu nutzen.

So simpel ist das.