Schulbücher für Schulschwänzer, Volume 2!

Am 20.9. ist der nächste große Klimastreik - und der Böse Drache Verlag ist natürlich sehr glücklich, dass es Böse SchülerInnen gibt, die an diesem Tag böse die Schule schwänzen und dann, ganz böse und ungehorsam, zur Demo gehen!

Um das Böse in der Welt weiter zu verbreiten, kann es natürlich sein, dass einige der SchülerInnen gerne auch noch einen Schulabschluss hätten. Und wenn diese zufällig in NRW in der 10. Klasse einer Haupt-, Real-, Sekundar- oder Gesamtschule sind, dann steht in diesem Jahr die zentrale Prüfung an (nicht die zentrale Klausur in der Einführungsphase der gymnasialen Oberstufe - das ist etwas ganz anderes!)

Damit zumindest der Mathematik-Teil davon funktioniert, verlost der Böse Drache Verlag 10 Exemplare des Trainingsbuches "Friss die ZP!".

Wenn du in Frage kommst, an der Verlosung teilzunehmen, und gerade im 9. oder 10. Schuljahr einer dieser Schulen bist, dann kannst du wie folgt gewinnen:

  • Du schreibst eine Mail an "Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!".
  • In der Mail nennst du deinen Namen und deine Mailadresse und erklärst, dass du am 20.9. streiken und demonstrieren warst. Mehr brauchen wir erstmal nicht, nur, wenn du gewinnst, fragen wir dich noch einmal gesondert nach deiner Postadresse. Deine Adresse und auch deine Mailadresse werden nur für das Gewinnspiel gespeichert und danach gelöscht. Der Computer, auf dem die Daten gespeichert werden, liegt auf einem Linux Mint-System, das regelmässig geupdatet wird. Datenverluste sind also sehr unwahrscheinlich.
  • Du kannst deine Gewinnchancen erhöhen, wenn du Details und Belege lieferst. Du erhältst pro Fakt, den du lieferst, einen Punkt:
    • Du warst demonstrieren.
    • Du hast dafür Ärger bekommen.
    • Du hast versucht, dich mit der Entschuldigung von Martin Sonneborn, EU-Parlamentarier, zu entschuldigen.
    • Du bist dabei gescheitert, dich mit der Entschuldigung von Martin Sonneborn entschuldigen zu lassen.
  • Jeder Punkt geht quasi als "eigenes Los" in die Verlosung ein. Sprich, wenn du demonstieren warst, Ärger bekommen hast und versucht hast, dich mit der Entschuldigung von Martin Sonneborn zu entschuldigen, bekommst du 3 Punkte. Du hast also die dreifache Chance gegenüber jemandem, der "nur" demonstrieren war.
  • Wenn du einen der Punkte auch belegen kannst, erhältst du doppelte Punkte! Zum Beispiel mit einem gemeinen Drohbrief der Schule.

Die Auslosung erfolgt mit Hilfe eines Python-Skriptes. Auch bei mehreren Punkten kann jeder aber nur ein Buch gewinnen.

Die Mail muss bis zum 15.10.2019 eingegangen sein, sonst verfällt die Möglichkeit auf einen Gewinn.

Der Rechtsweg ist wie üblich ausgeschlossen.

Viel Erfolg - und gutes Gelingen der Demonstrationen! Übrigens: Das Buch hat ein eigenes ZP-Lernkapitel, in dem man z.B. Formeln in der Tabellenkalkulation angeben muss, mit denen die Kosten für Demo-Plakate berechnet werden ...

 

 

 

Friss die ZP!

"Friss die ZP!" ist ein Mathe-Übungsbuch für die zentrale Prüfung in Mathematik an Gesamtschulen, Sekundarschulen, Realschulen und Hauptschulen in Nordrhein-Westfalen.

Es beinhaltet sechzehn längere Aufgaben im Stil des 2. Teils der zentralen Prüfung sowie einen ausführlichen Teil mit Erklärungen, ferner jede Menge Hinweise und Tipps zum Lernen und während der Prüfung.

Es ist im Fachhandel erhältlich und kostet 9 €.

Aufgrund der Formeldichte ist keine Ebook-Version erhältlich - vielleicht ändert sich das aber noch.

Friss die ZP! ist z.B. bei Amazon erhältlich. Oder auch bei der Buchhandlung Kape in Langenberg - aber auch sonst eigentlich fast überall im Buchhandel. 

Es gibt ebenfalls die Möglichkeit, die Inhalte des Buches digital für die Schule zu lizensieren. Mailen Sie uns diesbezüglich an!

Als kleine Vorschau hier, was Sie für digitale Lizenzen bekommen können: Beispieldateien zum Kapitel Lineare Gleichungen und zum Kapitel Hunde.

Schulbücher für Schulschwänzer

Wie bitte? Soll man Leute für das Schule schwänzen auch noch belohnen? Das kann doch nicht sein! Hey, das ... das ist ja falsch!

Und BÖSE!

Aber wir sind ja böse. Das steht ja oben. Böser Drache Verlag. Böse. Wirklich böse. Richtig böse. So böse wie niemand sonst!

Und darum sind wir richtig böse und verschenken insgesamt 20 Schulbücher des gerade erst erschienen Titels "Friss die ZP!" an Schulschwänzer. Nicht an irgendwelche. Sondern an solche, die auf den "Fridays For Future"-Demos waren.

Da die Zeit bis zur zentralen Prüfung ein wenig drängt, gibt es vier nacheinanderfolgende Gewinnchancen.

Weiterlesen: Schulbücher für Schulschwänzer

"Friss die ZP!" ist da!

"Friss die ZP!" ist da und wird im Laufe der nächsten Tage bei den Händlern in die Sortimente gelangen.

Es ist immer wieder großartig, wenn man sein Buch in den Händen halten kann. Beim ersten Durchblättern bin ich diesmal auch nicht auf einem meiner sonst so häufigen "OH NEIN!"-Momente gestoßen, dass ich irgend etwas drucktechnisch völlig in den Sand gesetzt habe (aber das kann ja noch kommen).

LaTeX ist ein toller Partner beim Setzen, auch wenn ich zum Romane Schreiben weiterhin Papyrus verwenden werde.

So. Heute hab ich dann zu tun. Im VLB bin ich schon, die Pflichtexemplarpakete liegen da und müssen zur Post, nun muss ich arbeiten ... und dann muss ich die noch bei Amazon und Libri eintragen, damit die auch in die Buchhandlungen kommen.

Hachja.

Ach ja: "Friss die ZP!" kostet 9 Euro. Ich denke, das ist es auch mindestens wert, auch wenn ich halt nicht so viele Bilder drin habe.

Das erste Mathebuch naht!

Mein erstes Mathebuch wird "Friss die ZP" heißen. Das Cover lade ich jetzt schon einmal hoch:

Der Drache auf dem Titelbild ist von der großartigen Caryad, das Buch selbst wird vermutlich noch diesen Monat erscheinen (sonst wird es dieses Jahr für die zentrale Prüfung auch zu spät!).

Bei den zentralen Prüfungen handelt es sich um Abschlussprüfungen im 10. Jahrgang in Nordrhein-Westfalen an Gesamtschulen, Sekundarschulen, Hauptschulen und Realschulen.

Wir wünschen viel Spaß bei der Lektüre - auch, wenn das noch gar nicht geht!

Leseprobe "Nennen Sie mich Becker"

I

Ich schwankte zwischen meiner üblichen Mischung aus Stolz, Selbstüberschätzung und Selbstekel. Wie eigentlich immer, wenn ich die Aktionen durchzog. Den Selbstekel konnte ich aber gut überwinden.
„Was ist denn da draußen los?“
Die Verkäuferin – Mitte vierzig, vor zehn Jahren moderne Kurzhaarfrisur – lief zum Schaufenster und starrte auf die Blaulichter vor dem Pfandhaus schräg gegenüber. Sirenen kamen aus mehreren Richtungen, einige Leute waren zusammengelaufen.
„Da sollten Sie nun nicht auch noch hinausgehen“, sagte ich.
Sie schien mich jetzt erst wieder richtig wahrzunehmen. „Wieso nicht? Ich meine, wenn ich da nicht zu nahe herangehe, störe ich doch nicht ...“
„Das wäre aber Gaffen, und Gaffen ist unhöflich.“
Sie starrte mich an. „Wieso ... was meinen Sie? Wieso sagen Sie mir das?“
„Nun, ich würde mich deutlich wertgeschätzter fühlen, wenn Sie hierbleiben würden. Schließlich bin ich ein Kunde.“
„Äh. Ja.“ Sie wusste wohl nicht, wie sie darauf genau reagieren sollte. „Aber was ist denn da draußen ...“
Ich machte es ihr leicht und zog meine Pistole aus der Tasche. „Nein, nein, ich habe Sie angelogen. Ich bin jemand, der Sie überfällt. Aber wenn Sie schon einmal an der Tür stehen, schließen Sie sie doch bitte einfach ab.“
„Was?“ Sie starrte mich an, dann die Pistole, dann die Tür, dann wieder mich.
„Starren Sie nicht so. Schließen Sie die Tür. Hängen Sie das Geschlossen-Schild auf.“ Ich knackte mit dem Hahn. Das war eine total überflüssige Aktion, die Pistole schoss genausogut, wenn der Hahn nicht gespannt war, aber es klang bedrohlich.
Außerdem war sie ohnehin nur mit Platzpatronen geladen, aber das würde ich ihr nicht auf die Nase binden.
Die Frau starrte auf die Pistole, dann nickte sie mit weit aufgerissenen Augen und drehte sich um. Sie schloss die Tür ab.
„Sehr gut. Nun gehen wir nach dahinten und Sie öffnen mir die Kasse.“
„Sie ... Sie haben ... Sie haben gegenüber die Leute abgelenkt und überfallen nun mich?“, fragte die Frau.
„Ja.“
„Ich habe nur einen Buchladen. Ich ... ich habe nicht viel eingenommen.“
„Ach nein? Es ist Weihnachtsgeschäft. Da kaufen die Leute wieder Bücher. Ich weiß schon. Die meisten werden heute Nachmittag kommen – vermutlich müssen Sie da den Laden wegen des Überfalls geschlossen halten, was mir schon ein wenig leid tut. Aber nicht so sehr, dass ich es darum nicht tue.“ Ich deutete auf die Kasse. „Wenn ich dann bitten dürfte. Sie haben da doch so Tüten unter der Theke, da passt einiges an Geld rein.“
Sie starrte mich an. Ihre Atemzüge gingen schnell und heftig. Aber sie tat, was ich sagte. Sie ging hinter die Kasse, öffnete sie und packte das Geld in eine Plastiktüte. Ich deutete mit der Pistole auf den Tresen. Sie legte die Tüte dahin.
„Sehr gut. Ich sehe, wir verstehen uns. So.“ Ich nickte ihr noch einmal zu. Aus meinem Mantel holte ich eine CDU-Tasche. So eine, wie sie die Partei bei der letzten Bundestagswahl verteilt hatte. Vorne war Angela Merkel drauf abgebildet.
Angela Merkel wurde nun mit dem Geldbeutel aus der Buchhandlung befüllt. Aus meiner Jacke holte ich den anderen Geldbeutel, den ich eben im Pfandhaus erbeutet hatte.
Geldbeutel waren das im wahrsten Sinne des Wortes, beide waren schlicht mit Geld gefüllt Plastiktüten.
Ich nickte ihr noch einmal zu. „So. Dann holen Sie sich diesen Stuhl dort und setzen Sie sich darauf. Aber mit dem Rücken zur Tür.“ Ich deutete auf einen der Stühle hinter dem Tresen.
Sie nickte wieder und setzte sich mechanisch.
Ich holte einen Schal aus meiner Jackentasche und verband ihr die Augen. Sie zitterte und atmete heftig, aber sie ließ es sonst wehrlos über sich ergehen. Die Sehnen an ihrem Hals waren zum Zerreißen gespannt, aber sie brüllte nicht los.
Gut.
„Ich brauche etwa dreißig Sekunden, wenn ich nicht zu auffällig zur Kreuzung dort laufe“, sinnierte ich. „Vierzig weitere Sekunden, und ich bin um eine weitere Straßenecke. Welche, sage ich Ihnen natürlich nicht. Dann kriegt die Polizei mich nicht mehr.“
Sie schluckte. Ich wusste nicht, ob ihr Gehirn schon arbeitete.
„Wir machen das so. Sie zählen jetzt langsam bis Hundert, und ich gehe. Wenn Sie bei Hundert ankommen, dürfen Sie aufstehen und die Polizei rufen. Sie zählen bitte im Sekundentakt. Langsam. Nicht schnell. Fangen Sie mal an.“
Sie begann. „Eins .... zwei .... drei ....“
„Das ist zu schnell. Ja, Sie sind nervös, das verstehe ich. Wissen Sie, ich bin das auch, aber mein Finger ist trotzdem recht ruhig am Abzug. Das möchte ich an sich auch gar nicht ändern. Sie verstehen?“
Sie schluckte. „Eins ... zwei ... drei ...“
„Ja, das Tempo passt. Nochmal von vorne, und dann bitte so, dass ich das hören kann, und ich gehe inzwischen.“
„Eins ... zwei ... drei ...“
Ich ging zur Tür und schloss sie auf. Den Schlüssel hatte sie steckenlassen, das hatte ich ihr gar nicht sagen müssen. Prima.
Auf der Straße waren die Polizisten dabei, mit Leuten zu reden, die vorbeigingen. Vier Polizeiwagen waren meinetwegen schon hier. Ich pfiff. Das war ein neuer Rekord.
Die meisten schüttelten den Kopf und zuckten mit den Achseln. Prima. Keiner hatte gesehen, dass ich zwar nach links geflohen, dann aber nach rechts zurückgelaufen war. Direkt in den Buchladen.
Ich öffnete die Tür und tappte mit den Füßen. Dann schloss ich die Tür wieder.
Die Frau zählte. „Einundzwanzig ... Zweiundzwanzig ...“
Sie wartete einen Moment und zählte nicht weiter.
Dann gingen ihre Hände hoch zum Schal.
Ich klickte mit der Pistole. „Na, na, na.“
Sie zuckte zusammen. Ein leiser Schrei löste sich, aber sie hatte sich immerhin so im Griff, dass sie nicht sofort laut wurde. Sie hatte wohl fest damit gerechnet, dass ich schon weg war.
„Ich müsste sie nun eigentlich bestrafen, da Sie versucht haben, mich zu hintergehen. Ich bin schwer enttäuscht von Ihnen. Sie müssten nur bis Hundert durchhalten, dann sind Sie mich los. Ich brauche ja nur dreißig Sekunden bis zu der Hausecke und dann vierzig zur nächsten. Wollen Sie mir Nichtmal die geben?“ Ich versuchte, meiner Stimme einen pervers-netten Klang zu geben, wie der psychopathische Killer im Fernsehen.
Sie nickte. „Ja, ja, natürlich.“
„Hundert, und Sie sind mich los.“
„Eins ... zwei ...“
Ich zog meinen Mantel aus und drehte ihn um. Nun war er nicht mehr schwarz, sondern hellbeige. Sehr praktisch, so ein Wechselmantel. Dann zog ich unter meinem Mantel meine Aktentasche hervor.
Und da packte ich die Angela-Merkel-Tasche hinein. Merkel in der Aktentasche, sehr praktisch. Und die fehlende Tasche machte mich direkt deutlich dünner.
Ich nahm die Wattebäusche aus dem Mund, die meine Wangen künstlich aufgebläht hatten. In Wirklichkeit waren meine Wangen eher eingefallen. Das war recht charakteristisch für mein Gesicht. Die Sonnenbrille nahm ich ab, sie wanderte achtlos in die Tasche.
Dann öffnete ich die Tür wieder und trat hinaus. Die Leute waren immer noch auf das Pfandhaus fixiert.
Mit einem Schnäuzen entfernte ich die Watte aus meiner Nase, die mir nicht nur ein leichtes Näseln eingebracht hatte, sondern vor allem meine Nasenflügel ein Stück gespreizt hatte.
Ich ging natürlich nicht zu der bezeichneten Kreuzung, sondern näherte mich interessiert der Stelle meines ersten Überfalls.
„Was ist denn hier los?“, fragte ich eine junge Frau mit Jeans und Lederjacke, die einen kleinen Boxer ausführte.
„Überfall. Die haben das Pfandhaus überfallen.“
Die. Soso. Ich war nun schon mehrere Personen.
Ich atmete tief ein und ließ die Luft geräuschvoll aus meinem Mund entweichen. „Pack“, sagte ich nur. „Hoffe, die kriegen die bald.“
Sie nickte mir zu und widmete sich dann wieder dem Geschehen.
Ich ging einfach weiter und schüttelte noch einmal den Kopf.
Dann ging ich an dem Laden vorbei, den ich eben als ersten überfallen hatte, und bog in die nächste Seitenstraße ein.
Einer der Polizisten starrte mich kurz an, der gerade eine aufgeregte Frau befragte, die in alle möglichen Richtungen zeigte – nur nicht in meine. Ich schüttelte erneut den Kopf und ging weiter.
Ich war tatsächlich drei Straßen weiter, als der Lärm in der Gegend lauter wurde. Aber da hatte ich mich schon längst in ein Café gesetzt und bestellte bei der Bedienung einen Cappuccino.
Ich beobachtete das Spektakel aus dem Fenster. Drei weitere Polizeiwagen kamen. Nach einiger Zeit kamen die Beamten wieder hergefahren und inspizierten die Gegend.
Nein, ich war noch lange nicht in Sicherheit, aber ich hatte nun beste Voraussetzungen. Die Polizei suchte nun überall nach mir. Meine Gesichtszüge waren dank der Watte allerdings recht nichtssagend. Ohne die Watte waren sie das weniger, aber das hatten beide Überfallene ja gar nicht gesehen.
Ich wartete noch eine Stunde in dem Café und las. Das Buch hatte ich aus dem Laden mitgenommen. Ein guter Fantasy-Roman von Brandon Sanderson. „Der Weg der Könige“.
Das war eines der Geheimnisse: Man durfte nicht ungeduldig werden. Ich durfte nun nicht sechs Stunden in dem Café bleiben, das war ebenfalls auffällig. Ich beschloss, bald mein Versteck in der Menge zu verlassen. Der Bedienung gab ich einen Wink und verkündete, dass ich Zahlen wollte.
Dann kam ein Polizist herein. Verdammt. Damit hatte ich nicht gerechnet. Die bauten die Fahndung bis hier aus. Ich war einfach ein paar Minuten zu lange hier gewesen.
Ich bekam mit, wie er der Bedienung Fragen stellte. Die Worte bekam ich nicht mit, aber er deutete mit seinen Händen ein deutlich dickeres Gesicht an, als ich es hatte.
Sie starrte einmal durch den Raum, blieb kurz bei mir hängen. Ich ließ mir nichts anmerken und las weiter.
Der Polizist nickte ihr zu, dann kam er in den Raum und starrte mich an.
Ich schaute kurz auf. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragte ich.
Er kniff die Augen zusammen. „Können Sie mir sagen, wo Sie eben waren? Vor einer Stunde etwa?“
Ich seufzte und ließ das Buch sinken. „Oh, ja. Sie sind von dem Einbruch“, sagte ich. „Da hinten, bei dem Pfandladen, richtig? Tut mir leid. Da bin ich gerade aus der Wohnung gekommen und hab nur mitbekommen, wie Sie davorstanden. Hab leider niemanden gesehen.“ Ich zuckte mit den Achseln und hob die Hände. „Tut mir wirklich leid.“
Einbruch. Natürlich waren das keine Einbrüche gewesen, das waren Überfälle. Straftatbestand Raub, nicht Einbruch. Aber ich hatte ja keine Ahnung von Verbrechen – jedenfalls durfte ich für den Polizisten keine haben.
„Von dem zweiten Überfall haben Sie nichts mitbekommen?“, fragte der Polizist.
Ich schüttelte den Kopf und schaute irritiert. „Es gab einen zweiten Überfall?“
„Der Mann hat auch einen Buchladen ausgeraubt.“
„Wie, einen Buchladen? Derselbe Mann? Den Laden da an der Ecke?“
„Das wissen wir nicht, aber ...“ Er schluckte. Offenbar bemerkte er, dass er gerade Ermittlungsdetails verriet. „Daran arbeiten wir noch.“
„Viel Erfolg Ihnen und Ihren Kollegen“, sagte ich. „Aber es tut mir leid, ich kann Ihnen da nicht weiterhelfen.“
Der Polizist nickte mir noch einmal zu, verkniff die Lippen und ging.
Nicht aufatmen. Nicht aufatmen. Einfach selbst bleiben. Ich starrte weiter in mein Buch. An echtes Lesen war nicht zu denken. Auch, wenn ich äußerlich ruhig blieb, war das doch ein echter Adrenalinschub gewesen.
Die Kellnerin kam und kassierte. Ich gab ein ordentliches, aber nicht zu üppiges Trinkgeld (man durfte auch hier in beide Richtungen nicht auffallen) und ging dann hinaus.
Von der Polizei war nichts mehr zu sehen. Ich ging, die Aktentasche in der Hand, einfach weiter die Straße entlang. An der nächsten Haltestelle musste ich nicht lange warten, bis ein Bus der Linie 25 kam. Ich stieg ein und ließ mich in Richtung meiner Wohnung fahren.
Niemand hielt mich auf, keine weitere Polizei war irgendwo zu sehen.
Ich erlaubte mir endlich, aufzuatmen.
Ich wohnte im dritten Stock eines fünfstöckigen Wohnhauses. Unten war eine Reinigung, die ihre markanten Gerüche oft bis zu mir hinaufziehen ließ, aber dafür war die Wohnung bezahlbar.
Vor allem jetzt. Ich breitete meine Beute auf dem Tisch aus und zählte sie.
Ja, das Pfandhaus hatte sich deutlich mehr gelohnt. Der Buchladen hatte aber immerhin achthundertvierzig Euro gebracht. Hauptsächlich war das vermutlich das Wechselgeld. Im Pfandhaus lagen über viertausend in der Kasse. Insgesamt kam ich auf 4883 Euro und 43 Cent.
Die nächsten Wochen sollte ich auch keinen Coup mehr durchziehen. Morgen würde vom Doppelräuber einiges in der Zeitung stehen. Ich grinste.
Ich nahm mein Handy und rief Deier an. Nach dreimaligem Tuten ging er dran.
„Sneeker?“, fragte er. „Du bist also noch da? Nicht erwischt worden?“
„Nein.“
„Und? Das hat geklappt?“, fragte er.
„Jepp.“
„Zwei?“
„Zwei.“
„Nacheinander?“
„Jepp.“ Man konnte meinen, wir redeten über Frauen, aber leider war ich da weniger erfolgreich.
„Puh. Glückwunsch.“
„Lass uns trinken.“ Ich hatte keine Lust, länger als nötig am Telefon zu bleiben. Natürlich war es extrem unwahrscheinlich, dass das Gespräch abgehört wurde, aber das war ja immerhin nicht unmöglich. Außerdem hatte ich ja nun wirklich etwas zu feiern.
„Gute Idee“, sagte Deier. „Pferdetränke?“
„Ja.“
„Du zahlst.“
„Klar.“ Das sollte nun wirklich kein Problem sein.
„Bis gleich.“ Er legte auf.
Ich stand auf und packte mir einiges von dem Kleingeld sowie einige der Scheine. Den Rest versteckte ich in der Kühltruhe. Tatsächlich würde man da nicht direkt nach dem Geld suchen.
Die Pferdetränke war von meiner Wohnung aus locker in Laufweite. Ich zog mir eine Lederjacke an und wechselte auch die Jeans. Ebenso trug ich nun Turnschuhe statt der schwarzen Treter, die mich den Tag über begleitet hatten.
Deier stand schon vor der Tür der Pferdetränke und rauchte. Er sah aus wie immer, leicht zu lange Haare, einen Schnäuzer. Ein wenig wie Wolfgang Petry, aber nur äußerlich. Ich gab ihm einen Handschlag und grinste.
„Alter. Ich fass das nicht“, sagte er.
„Nicht hier. Lass uns reingehen.“
„Moment. Bin gleich fertig.“ Er nahm noch einen Zug und trat die Kippe dann aus.
Von den acht Tischen, die die Pferdetränke hatte, war nur einer besetzt, ebenso gab es Plätze an der Theke. Deier und ich zogen uns an einen der Ecktische zurück. Da gedämpfte Musik lief – irgendwelcher Rock, Bryan Adams oder sowas – konnte man uns hier nicht verstehen.
Wir bestellten bei Tine, der Wirtin, zwei große Pils und lehnten uns dann damit zurück.
„Auf den Coup“, sagte ich.
Deier starrte mich an. „Ich fass das immer noch nicht.“
„Warum sollte das nicht klappen? Ich hab schon so manche Nummer durchgezogen.“
„Ja, Alter, aber zwei nacheinander in derselben Straße? Das ist doch eine Aktion, die macht außer Dir so schnell keiner.“
Ich grinste. Ja, ich genoss es durchaus, wenn Deier mich bewunderte. Das kam ja nicht täglich vor. Und da er der Einzige war, dem ich von meinen Aktionen erzählte, war er auch der Einzige, der mich bewunderte. Das musste reichen.
Deier hieß wirklich so. Da er seinen Vornamen Martin hasste, bat er jeden, ihn einfach Deier zu nennen, das war sein Nachname.
Wir begossen den Coup. Ich passte sorgfältig auf, dass niemand – auch natürlich nicht Tine, die zwar mehr oder weniger eine gute Freundin war, aber garantiert keine Mitwisserin sein durfte – etwas mitbekam und beschrieb dann die einzelnen Schritte, die mir letzten Endes die Flucht erlaubt hatten. Die scheinbaren falschen Richtungen, die Details, die man mit der Gesichtsform machen konnte ... es ging so einiges.
Schließlich begab ich mich um 1 Uhr nachts, nicht rotzbesoffen – da musste ich wirklich aufpassen, ich durfte keinesfalls irgendwann anfangen, damit zu prahlen – aber doch gut angetrunken, nach Hause und legte mich ins Bett, wo ich sofort einschlief.
Was für ein Tag.
 

II
Ich stand auf und reckte mich. Der Tag würde vor sich hin plätschern, ich wollte heute nur gammeln. Ich musste einfach nur aufstehen und einkaufen, dann konnte ich mich daran machen, mir neue Tricks auszudenken und einen neuen Plan zu entwerfen. Ich pflegte in der Tat nach jedem Coup immer direkt den nächsten zu planen. Meist warf ich die Pläne in den Müll, nur etwa jeden achten Coup zog ich wirklich durch, aber ich war hochmotiviert, wieder ein Meisterwerk zu schaffen.
Ich stiefelte ins Badezimmer und duschte mich ausgiebig. Dann schlurfte ich ins Wohnzimmer, um von da aus in die Küche zu gehen und mir das Frühstück zu holen.
Dort saß ein Mann auf meinem Sofa und starrte mich an. Langer Trenchcoat und Hut, beide im selben Beige, Glatze und eine runde Brille. Das Alter war schwer zu schätzen, aber unter vierzig war er bestimmt nicht mehr, er konnte auch ein ganzes Stück älter sein.
„Was ... was ...“, war sicher nicht die Schlaueste aller Fragen, aber es war die Einzige, die in der Lage war, meinen Mund zu verlassen.
„Guten Abend, Herr Riepsberger. Oder, ich weiß, ich sollte Sie lieber Sneeker nennen, wie es alle ihre Freunde tun und eigentlich jeder, der mit Ihnen zu tun hat.“ Der Mann grinste. Es wirkte irgendwie wölfisch, obwohl seine Gesichtsform so gar keine Ähnlichkeit mit einem Raubtier hatte.
„Wer sind Sie?“ Das war zumindest mal eine vollständige Frage. „Was machen Sie hier?“
„Nennen Sie mich Becker“, sagte der Mann. „Ich bin hier, um Ihnen ein Angebot zu machen.“
„Ein Angebot?“
Becker nickte. „Natürlich, sonst wäre ich nicht hier. Ich beginne zunächst damit, Herr Sneeker, dass ich Sie nun eigentlich verhaften müsste. Ein bewaffneter Raubüberfall, nein, mehrere davon – Ihnen ist schon klar, dass Sie das für mehrere Jahre ins Gefängnis bringt?“
„Sie müssten mich verhaften? Sind Sie von der Polizei?“ Die Polizei würde normalerweise schellen und mit einer Hundertschaft auftauchen oder ... egal. Sie würde sich nicht bei mir in die Wohnung schleichen, da war ich ganz sicher.
„Wenn Sie so wollen, Herr Sneeker, bin ich bei der Polizei. Ich bin vom BKA. Aber Sie werden mich und meine Abteilung in keinem Organigramm des BKA finden. Mein Name taucht auf keiner der Webseiten auf.“
„Sind Sie dann so ein verdeckter Ermittler?“
Becker lachte leise. „Herr Sneeker, so einfach ist das nicht. Ich sage es einfach mal, so: Meine Tätigkeit ist an höchster Stelle natürlich bekannt, sie wird auch geschätzt. Wenn ich will, kann ich über viele Ressourcen verfügen.“
„Aha.“
„Und diese Ressourcen erlauben mir auch, Sie einzustellen.“
„Mich ... was?“
„Ich möchte Sie einstellen, Sneeker.“ Er blickte mir fest in die Augen. „Ich brauche Sie. Ich brauche jemanden wie Sie.“
„Aha.“ Ich hatte keine Ahnung, was dieser Mensch von mir wollte. „Aber ... wofür? Und ... und was habe ich ...“ Ich stockte. Das war nicht die Schlaueste aller Fragen.
Becker schaute undurchsichtig durch seine Brillengläser, dann ließ er sich wieder auf das Sofa fallen und lehnte sich zurück. „Wenn Sie meinen, Herr Riepsberger – ich beginne zunächst damit, dass ich Sie nicht verhafte. Dass ich Ihnen einige Jahre Gefängnis erspare. Ist das nichts?“
„Sie können mich ja jederzeit ...“
„Natürlich könnte ich. Das können wir später klären. Sie meinen sicher, finanziell?“
Ich nickte. Natürlich, ich musste ja gucken, wo ich blieb. Auch, wenn mir das gerade echt ein wenig zu schnell ging.
„Ich biete Ihnen eine Basisbezahlung von 2000 Euro pro Monat an. Das für den Fall, dass ich Sie nicht brauche. Wenn ich Sie brauche, bekommen Sie für jeden Auftrag einen Stundenlohn von 200 Euro.“
2000 Euro. Ohne irgendetwas zu tun. Und 200 Euro Stundenlohn. Das klang erstmal gar nicht schlecht, aber da war ein Haken, da war ich sicher. „Was müsste ich denn tun?“, fragte ich.
Becker nickte mir zu. „Das ist eine völlig berechtigte Frage, und ja, das Geld verdienen Sie sich. Ich brauche Sie für Aufträge, bei denen ich die Ressourcen, über die ich sonst verfüge, nicht verwenden kann. Da sie den Rahmen des gesetzlich Erlaubten sprengen würden. Normale Polizisten – und glauben Sie mir, davon kann ich viele anfordern – machen so etwas nicht, da sie einen Eid auf die Gesetze geschworen haben.“ Er seufzte. „Das habe ich natürlich auch, aber manchmal muss man Gesetze beugen, um sie zu schützen, wenn Sie verstehen, was ich meine.“
Ich schluckte. Ich hatte schon von solchen Einheiten gehört. Gerüchte gab es viele. Leute, die für Geld und für die Regierung das taten, was die Polizei nicht machen durfte. Nur hatte ich das immer für Verschwörungstheorien gehalten.
„Ich nehme an, diese Aufträge sind gefährlich?“, fragte ich.
„Aber ja, Sneeker, diese Aufträge sind gefährlich. Sie können sehr gefährlich sein. Ich streite nicht ab, dass Leib und Leben in Gefahr sein können. Ich garantiere natürlich auch nicht für ihre Sicherheit im Gefängnis, aber wenn Sie da lieber reinwollen, ist das sicher ungefährlicher. Ich bin mir nur, nach dem, was ich über den legendären Sneeker weiß, recht sicher, dass dieser lieber Geld und Risiko statt Knast und Sicherheit wählt. Ich kann mich auch geirrt haben – dann, glauben Sie mir, wird man Sie bald erwischen.“
Das war eine klare Drohung, und ich hasste Drohungen. Man konnte mit mir Geschäfte machen und mit mir hart verhandeln. Aber, auch wenn ich es gewohnt war, mir zu nehmen, was ich wollte, mochte ich es nicht, wenn andere Leute das bei mir taten.
Ich schaute hinauf und tat, als wollte ich überlegen. „Hmm“, sagte ich. Ich stützte mich links am Schrank ab. Meine Finger glitten in das Regal hinein und tasteten kurz herum, bis ich die richtige Stelle fand. Ich schnippte das Geheimfach im Schrank auf, zog meine Pistole heraus und richtete sie auf ihn.
„Ich hasse Drohungen“, sagte ich.
Becker seufzte. „Wie ich sehe, bin ich nicht überzeugend genug. Nun denn. Beginnen wir damit, dass ich vor Platzpatronen keine Angst habe, Sneeker.“ Seine Stimme war nun zu einem gefährlichen Zischen geworden, er spie mir die Worte ins Gesicht.
Woher wusste der Mann das?
Ich war kein Mörder. Ich war auch kein Totschläger, und auch fahrlässige Tötung war nichts, mit dem ich in den Knast kommen wollte. Wenn man mich erwischte, dann eben wegen bewaffneten Überfalls. Ich wusste, dass Raubüberfälle Leute oft traumatisierten, aber traumatisierte Leute lebten nachher weiter. Ich wollte aber niemanden töten.
Und damit niemand verletzt wurde, wenn ich aus Versehen abdrückte, hatte ich alle meine Pistolen nur mit Platzpatronen geladen.
Woher zur Hölle wusste Becker das?
Becker stand auf und zog in aller Seelenruhe eine eigene Pistole aus der Tasche. Ich schluckte.
„Die hier ist mit echten Kugeln geladen“, sagte er. „Ich hatte gehofft, dass wir die nicht brauchen. Aber ich wollte auch keine Drohung aussprechen
lso keine mit der Pistole.“ Er setzte sich wieder hin. „Seien Sie so gut und packen Sie die Pistole wieder weg, ja? In der Tat, Sie sehen, ich bin nicht allwissend – von dem Fach im Schrank wusste ich zum Beispiel nichts.“
Ich nickte. Der Mann war sicher mordsgefährlich.
„Dann setzen Sie sich doch“, lud er mich ein. Ich ließ mich ihm gegenüber in einen Sessel fallen. Die nutzlose Pistole legte ich auf die Lehne.
„Damit wir das direkt klären, Sneeker: Ja, ich brauche Sie, ich kann Sie verdammt gut brauchen. Ich bin auch niemand, der gute Leute gerne wegstößt. Aber machen Sie sich bitte auch klar: Ich bin nicht unbedingt auf Sie angewiesen. Als ich angefangen habe, diese Dinge zu tun, hatte ich Skrupel, Leute wie sie zu engagieren. Ich meine, da draußen laufen viele arbeitslose Nichtkriminelle rum – und natürlich würde man lieber die einstellen. Sie können Dinge, die nicht viele können, aber Sie sind nicht der Einzige. Sie wären nicht der Erste, der bei der Wahl zwischen Knast und Geld – dafür mit Risiko – den Knast wählt.“
Ich nickte und versuchte, dabei schlau zu wirken. Ich war nicht sicher, wie gut das gelang.
„Und damit das also klar ist, Sneeker: Sie erhalten diese Chance nur heute. Nur heute können Sie unterschreiben.“
„Unterschreiben?“
„Ich bin, auch wenn alles, was ich tue, sich ein wenig im Zwielicht aufhält, immer noch bei einer Behörde tätig und ich rekrutiere Sie gerade offiziell für den öffentlichen Dienst.“
„Wie bitte?“ Ich hatte damit gerechnet, irgendwelches Schwarzgeld zu bekommen, niemals damit, dass ich öffentlich angestellt wurde.
„Ja, Sneeker. Und die 2000 Euro sind vor Steuern.“
Ich schluckte. Da blieb ja sicher kaum noch etwas übrig. „Aber ... wenn das das Einzige ist, was ...“
„Ich werde fast immer genug Aufträge für Sie haben“, erklärte Becker. „Sie werden auf Ihren Schnitt kommen, das kann ich Ihnen versichern. Und bedenke Sie: Sie zahlen Sozialabgaben. Abgesehen davon, dass das dem Staat immer guttut, und den Versicherungen, machen Sie sich auch klar, dass Sie damit in die Rentenkasse einzahlen. Irgendwann, Sneeker, sind Sie zu alt für die Dinge, die Sie zur Zeit tun. Dann kriegen Sie Rente. Die Sie sich erarbeitet haben – sogar einigermaßen ehrlich.“
Ich nickte. Vor allem aber auch darum, da mir die Alternative nicht gefiel.
„Also gut“, sagte ich. „Ich bin einverstanden.“
„Das ist prima“; sagte Becker. „Ich habe hier ihren Vertrag.“
Er holte einen braunen DIN A4-Umschlag heraus und zog lauter Papiere heraus. Ebenso einen schwarzen Kugelschreiber. Das drückte er mir alles in die Hand. „Lesen Sie in Ruhe. Wenn Sie Fragen haben, stehe ich gerne zur Verfügung.“
Der Arbeitsvertrag war ein richtiger, unbefristeter Vertrag im öffentlichen Dienst. Gehaltsstufe TVL E 2, Altersstufe 1. Jedenfalls sah der Vertrag gut aus: ein Landeswappen, ein Polizeiwappen ...
Land? BKA?
„Sie sind doch vom BKA?“; fragte ich. „Das ist doch eine Bundesbehörde. Wieso haben Sie hier einen Vertrag, der vom öffentlichen Dienst des Landes NRW stammt?“
Becker lächelte. „Das ist es, warum ich Sie brauche, Sneeker. Sie werden selten ihre Überfallkunst einsetzen müssen – wobei ich nicht ausschließen kann, dass Sie sich mal irgendwo den Weg rein oder raus freipressen müssen. Nein, Sie sehen die Details. An ihren letzten Aktionen haben Sie wie lange geplant?“
„Zwei Wochen“, sagte ich. Das stimmte auch.
„Sie haben die Läden immer wieder beobachtet, in verschiedenen Verkleidungen, habe ich recht?“
Ich schluckte. „Ja, das stimmt.“
Becker nickte. „Und darum brauche ich Sie. Andere hätten einfach nur unterschrieben. Ja, das ist ein Arbeitsvertrag des Landes. Hintergrund ist der, dass man auf diese Weise niemals die Spur zum BKA zurückverfolgen kann. Sie werden offiziell dem LKA zugewiesen, dann aber für die Dauer der Operation mir unterstellt.“
„Operation?“
„Die Operation hat kein fixes Enddatum. Machen Sie sich einfach darum keine weiteren Sorgen. Das LKA und das BKA arbeiten in dieser Hinsicht zusammen.“ Er lächelte. „Sogar dann, wenn ganz andere Parteien an der Macht sind. Wissen Sie, nach der letzten Regierungsumbildung und einem neuen Innenminister habe ich mir erst Sorgen gemacht, aber kaum hatte ich ihm meine Liste der Erfolge vorgelegt, schluckte er nur und genehmigte die Fortsetzung der Operation.“
Ich wusste nichts darauf zu sagen. Mir kam das alles durchaus nicht ganz geheuer vor, andererseits hatte der Mann mich in der Hand, und er hatte offenbar wirklich Ahnung von dem, was er tat. Die Begründungen klangen logisch.
Ich las den Vertrag durch und verstand nur wenig. Tatsächlich war darin aber erwähnt, dass ich dem BKA unterstellt werden würde. Das Fachchinesisch verstand ich nicht alles, aber ich hatte andererseits auch das Gefühl, dass das zum Großteil Standardfloskeln waren. Ein Teil war in einer anderen Schrift geschrieben, der Teil, der mir die Bonuszahlungen sicherte. Ich vermutete, dass da jemand bei den Behörden einen Extra-Part eingebaut hatte.
Ebenso war sicher der Part zu verstehen, der mir Straffreiheit garantierte. Wenn ich den Text richtig verstand, galt der nur für die Dinge, die ich bisher getan hatte und war dann aufgehoben, wenn ich neue Sachen tat oder mich vor Ablauf von vier Jahren aus dem Programm entfernte. Und natürlich galt er auch für die Dinge, die ich für Becker tun musste.
Ich schluckte. Vier Jahre würde ich diesem Mann also auf jeden Fall zu Diensten sein müssen. Andererseits hatte ich die Straffreiheit schriftlich, das konnte auch nicht schaden.
Ich nickte schließlich und schaute hoch. Noch ehe ich Gelegenheit hatte, nach einem Stift zu schauen, hielt mir Becker einen goldenen Kugelschreiber vor die Nase.
Ich nahm ihn und unterschrieb den Vertrag.
„Freut mich, Sneeker, freut mich.“ Er lächelte. Auf mich wirkte es wie die Schlange, die den Frosch gerade sicher umschlungen hat und nun nur noch „Haps“ machen musste. „Sie werden das nicht bereuen, da bin ich sicher.“
„Wann ... wie läuft das mit dem Geld?“, fragte ich.
„Sie werden ganz regulär über das Landesamt für Besoldung und Versorgung bezahlt“, erklärte Becker. „Wie jeder andere Angestellte auch, jeweils zum 30. des Monats für den Vormonat. Ich bin großzügig, auch wenn wir heute schon den fünften November haben, werden Sie für den ganzen Monat bezahlt. Das haben Sie vielleicht gesehen, der Vertrag ist ab dem ersten gültig.“
Ich nickte. Den Monat würde ich ohnehin dank meiner Beute überstehen. Becker hatte nichts davon gesagt, dass ich die zurückzahlen musste, und ich würde den Teufel tun und ihn danach fragen.
„Und Sie haben auch verstanden, nehme ich an, dass der Vertrag nichtig ist, wenn Sie wieder straffällig werden – außerhalb der Aufträge, versteht sich?“
Ich nickte erneut.
„Ich bin sehr erfreut, Sneeker. Ich werde bei diesem Namen bleiben, wenn ich Sie kontaktiere, da ich denke, dass Sie sich damit am wohlsten fühlen.“
Und, weil er damit immer wieder deutlich machte, dass er meine Identität kannte.
Er stand auf. „Ich werde dann mal wieder gehen. Ich melde mich früh genug.“
Ich nickte wieder.
„Und noch etwas, Sneeker: Sie werden vielleicht versuchen, etwas in den Zeitungen über ihre ... Großtat ... von gestern zu finden.“
Hmm. Das war ein wenig unerwartet, dass er mich darauf ansprach „Wieso? Was ist denn damit?“
„Ich möchte Ihnen nur eines klarmachen: Es steht etwas davon in den gängigen Medien – aber irgendwo, klein im Polizeibericht.“ Er grinste. „Sie haben vermutlich gehofft, auf die BILD-Titelseite zu kommen. Schlimmer Finger dreht zwei Dinger. Mysteriöser Dreistling: Zwei Überfälle direkt nebeneinander – am helllichten Tag!“
Ich starrte ihn an. Was meinte er? Gab es keine Schlagzeile?
„Nur um Ihnen klar zu machen, wo wir hier sind, Sneeker: Ich habe dafür gesorgt, dass ihre Taten kleingeredet werden. Ganz klein, so dass Sie keinen großen Ruhm dafür ernten.“
Ich schluckte. Der Mann schien mich zu kennen. Ich war nicht bescheuert und prahlte mit den Taten groß herum, außer vor Deier, aber dessen Zuverlässigkeit traute ich mehr als meiner eigenen. Aber ich empfand einen gewissen Stolz, wenn meine Taten es in den vorderen Teil der Zeitungen schafften. Mein erstes geplantes Ziel des Tages war die Tankstelle schräg gegenüber gewesen, um eine BILD zu kaufen.
Und darum hatte Becker mich gebracht. Verdammt.
Er nickte mir noch einmal zu und ging durch die Tür hinaus, ohne noch mehr zu erzählen.
Ich blieb erstmal sitzen. Verdammt, was war hier gerade passiert? Warum konnten Dinge nicht einfach nach Plan laufen? Tauchte da einfach so ein BKA-Mann auf und nahm mich unter Vertrag! Ich hatte eher damit gerechnet, dass die Polizei kommt, aber schon das hatte ich nicht für sehr wahrscheinlich gehalten.
Und irgendwie war es dennoch geschehen.
Schließlich stand ich auf. Es war nicht zu erwarten, dass Becker mich heute noch kontaktierte, aber ich nahm dennoch mein Handy mit. Hatte der eigentlich meine Nummer?
Natürlich hatte er die. Davon war fest auszugehen.
Das Türschloss war nicht beschädigt. Becker war hier reingekommen, als hätte er einen Schlüssel gehabt. Vermutlich hatte er sogar einen. Ich hatte ganz vergessen, ihn zu fragen. Verdammt, wie fertig war ich eigentlich gewesen?
Ich beschloss dennoch, meinen Ursprungsplan in die Tat umzusetzen. Ich ging zur Tankstelle. Ich kaufte nicht nur eine BILD, sondern auch ein Lokalblatt und eine FAZ.
Becker hatte nicht übertrieben. Auf Seite 7 der BILD stand klein ein Artikel über einen „Kleinkriminellen“, der zwei Läden nacheinander überfallen und mit „geringer Beute“ entkommen war. Die FAZ hatte in der Tat fast denselben Artikel. Ich hatte zumindest im Lokalblatt auf einen eigenen Bericht gehofft, aber da war noch eine kürzere Meldung. Nein, zwei Meldungen. Ein Raub und noch ein Raub. Kein Zusammenhang! Alles war super-knapp und in keiner Weise meiner großartigen Planung und Dreistigkeit beim Durchziehen würdig.
Verdammt. Dieser Becker war ein richtiges Arschloch. Ich beschloss in diesem Moment, es ihm irgendwie heimzuzahlen. Das waren mehrere Wochen an Planung und Aktion, und dann ...
Nun ja. Ich hatte noch die Beute. Dann fuhr es mir durch den Schädel: Hatte Becker die gefunden und konfisziert?
Die Beute war aber noch da, wo ich sie versteckt hatte, wie ich mich schnell vergewisserte. Ja, es waren auch noch alle Scheine da, zumindest auf den ersten Blick.
Entweder hatte Becker die Beute nicht gesehen oder seiner Achtung nicht für würdig befunden – wie auch immer.
Ich beschloss, mich erst einmal ordentlich zu betrinken, und rief Deier an. Der musste natürlich noch arbeiten. Und obwohl er der Einzige war, dem ich über den Weg traute, was meine Streifzüge und Aktionen anging, überlegte ich erst einmal, ob ich ihm von meinem neuen Job erzählen sollte.
Dann beschloss ich, es an diesem Abend noch nicht zu tun – warum auch. Das konnte ich immer noch tun, wenn die ersten Aktionen von mir eingefordert wurden. Ich ging abends noch einmal mit ihm raus, erzählte aber nichts davon, und achtete sorgsam darauf, nicht zuviel zu trinken.
Und die folgenden drei Tage meldete Becker sich einfach nicht bei mir. Es war nicht viel, aber es war offenkundig leicht verdientes Geld.
Am vierten Tag kam ein Brief vom Landesamt für Besoldung und Versorgung, in dem ich aufgefordert wurde, einen Fragebogen zu mir und meinen persönlichen Verhältnissen auszufüllen. Natürlich wollte man auch meine Kontonummer. Musste ja alles seine Richtigkeit haben.
Wieder meldete sich Becker die nächsten zwei Tage nicht. Langsam ging mir das Ganze ein wenig gegen den Strich. Ich war genervt. Normalerweise plante ich jetzt den nächsten Beutezug. Ich wollte durch die Stadt ziehen und mich von günstiger Lage, Fluchtmöglichkeiten und anderen Dingen inspirieren lassen. Aber das tat ich nicht – was nützte der schönste Plan, wenn man ihn nicht ausführen konnte?
Ich war schon kurz davor, mir Verkleidungen auszusuchen und mal ein anderes Viertel der Stadt aufzusuchen. Da rief endlich Becker an.

 

ENDE DER LESEPROBE

 

Jahresendteaser: Am Schauspielhaus

"Entschuldigen Sie bitte, wo finde ich Paddy?"

Ich stand seit zwei Stunden auf dem Platz und fror mir die Eier ab. Zum Glück war noch genug Fiege auf dem Bollerwagen. Wir, das heißt, Marvin, Britta und ich, wollten einfach nur Silvester feiern. Sprich: Uns ordentlich einen ballern, das Feuerwerk am Schauspielhaus anschauen, dann zu Marvin in die Bude und da dreimal Dinner for One gucken.

Was man halt Silvester so machte. Und sprich, ich hatte schon ordentlich einen im Kahn - da kam dieser Kerl und fragte nach Paddy!

"Der ist sicher mit seiner Perle irgendwo", grummelte ich.

Der Kerl nickte, blieb aber stehen und sagte nichts.

Es dauerte einen Moment, bis ich schnallte, dass der Kerl bestimmt nicht den Paddy meinte, den ich kannte.

"Welchen Paddy meinst du eigentlich?", fragte ich.

Weiterlesen: Jahresendteaser: Am Schauspielhaus