Der 3W20-Wurf bei DSA

Kaum ein Thema versetzt Gemüter so in Wallung wie der 3W20-Wurf bei DSA. Ein Großteil meiner Facebook-Blase findet diesen Wurf furchtbar, schrecklich, grauenhaft. Leute, die DSA verteidigen, werden mit den Wählern von Donald Trump verglichen (weil es wohl eine knappe Mehrheit für die Weiterführung des 3W20-Wurfes gab). Wir sind da kurz vor Godwin, vermutlich gibt es irgendwo auch schon Diskussionen, wo Godwin zugeschlagen hat.

Mir ist DSA 5 an sich egal, ich werde mir das nicht zulegen und auch nicht spielen. Aber ich spiele nach wie vor DSA 4.1 - in Myranor und in Aventurien. Und das spiele ich natürlich richtig, mit dem "Dreierwurf". Und hier werde ich nun eine Lanze für den Dreierwurf brechen. Ich halte den Dreierwurf für einen der genialsten Regelmechanismen, die ich je gesehen habe. Ach ja, den von 4.1. Ich habe keine Ahnung, wie er bei DSA 5 funktioniert und nicht das geringste Interesse, darüber belehrt zu werden.

Warum finde ich den Dreierwurf toll?

Als Mathematiker finde ich es erst einmal gut, wenn die Würfe sich tatsächlich "in der Mitte" zentrieren. Das tun sie deutlich mehr, wenn ich mehrere Würfel habe. Ich bekomme mehr statistischen Mittelwert, als wenn ich einfach einen Prozentwürfel würfle (ja, das sind auch zwei Wüfel, aber die Ergebnisse von 1 bis 100 sind gleichverteilt. Ja, auch von 0 bis 99, je nach dem, wie man den sieht).

Darum gefällt mir das 2W10-System von Splittermond auch schon deutlich besser als ein Prozentwürfel. Aber das nur am Rande.

Dann hat der Dreierwurf aber genau die Effekte, die ich von einer "gesunden Portion Realismus" erwarte. Das klingt doof - Rollenspiele sind nicht realistisch. Aber vergleichen wir doch einfach mal einen Prozentwurf damit.

Wir beginnen mit drei Charakteren, die dieselben Aufgaben bekommen. Mein Lieblingsbeispiel sind Kletterer.

Der eine, nennen wir ihn Faldor, ist ein toller Kletterer, geübt und ein wahrer Meister. Bei DSA habe er die passenden Attribute auf 14 und einen Klettern-Wert von 15. In dem Prozentwurf-System habe er einen Klettern-Wert von 80.

Der zweite, nennen wir ihn Oham, ist jemand, der mal auf einen Baum geklettert ist, aber das nicht sehr gut kann. Er habe die DSA-Attribute auf 12 und einen Klettern-Wert von 4. Im Prozentwurf-System habe er einen Klettern-Wert von 30.

Der dritte, nennen wir ihn Frikki, weiß nicht genau, was seine Beine auf einer Leiter sollen. Er habe bei DSA die Attribute auf 10 und einen Klettern-Wert von 0. Im Prozentwurf-System habe er einen Klettern-Wert von 10.

Nun sollen diese drei einen Baum mit breiten Ästen erklimmen, auf dem man gut stehen kann. Was würde man in der Realität erwarten? Oham und Faldor kommen locker hoch, Frikki hat vermutlich Schwierigkeiten. Sagen wir, der Spielleiter gibt einen Bonus von 5 in DSA und 20% Bonus im Prozent-System.

Faldor kann nur noch mit einer Patzerchance bei DSA patzen. Selbst 19,19,20 gleicht er mühelos aus. Die geringe Patzerchance gibt es bei DSA immer, die finde ich auch in Ordnung. Ebenso kommt er im Prozentwurf-System auf jeden Fall hoch (je nach System mag es da auch eine Patzerchance geben). Faldor ist also in beiden Systemen sicher oben, das passt.

Oham kann sich in DSA eine 20 erlauben, dann bleibt ihm noch ein Punkt für die anderen beiden Würfel zum Ausgleich. Ein kleines Skript von mir sagt, er schafft das mit 88% Wahrscheinlichkeit (ohne Patzer und zwei-Einsen-Regel und so, die machen aber nicht viel aus). Das erwarte ich auch: Jemand, der etwas geübt ist im Klettern sollte recht sicher da hochkommen.

Im Prozentsystem kommt Oham nun aber nur in 50% der Fälle hoch. Huch. Vielleicht sind die 50% zu schlecht? Aber bei den meisten Systemen sind 30%-Kletterer schon gar nicht schlecht. Nun gut. Übt er mehr. Dann hat er 50%. Das ist bei den meisten Systemen schon jemand, der das gut kann, besser als der Durchschnitt. Dann hat er nun 70%! Damit er auf die 88% von DSA kommt, müsste er einen Klettern-Wert von 68 haben. Das ist ja kaum noch Distanz zu dem ja deutlich besseren Faldor! (Man überlege, wie viele AP man für einen Klettern-Wert von 15 braucht, im Verlgleich zu 5.)

Frikki kommt nun bei DSA auf 40%. Hmm. Ok. Das ist ja auch einfach. Im Prozentsystem kommt er auf 30%. Das ist ja in etwa ähnlich. Auch an sich ok. Und heißt wohl, dass diese 5 Punkte und die 20% hier ganz gut zusammenpassen.

Nehmen wir nun an, die drei stehen vor einem Seil ohne Knoten. Der Spielleiter gibt eine unmodifizierte Probe.

Faldor kann bei DSA wieder nur patzen. Huch! Das ist doch jetzt schwieriger, oder sollte das sein? Nein. Für Faldor ist das egal. Das ist ein Kletterkünstler, ein Seil ist da für den keine Frage. Finde ich realistisch. Ich finde, er sollte auch diese Probe mit mehr als 80% schaffen. Aber gut, vielleicht sind 80% ja auch zu wenig, dann hat er eben einen Skill von 90%. Oder 100. Dann schafft er das immer.

Oham hat nun seine 30% Chance, oder, wenn wir ihn eben hochgehievt haben, seine 68%-Chance. An einem Seil hochzuklettern? Jemand, der mal ein wenig geklettert ist? Sollte das besser können. Meine ich. Sogar als die 68. Aber jedenfalls besser als die 30.

Frikki hat bei DSA 14%, bei Prozentwürfen 10%. Das mag realistisch erscheinen und passt IMHO.

Nun nehmen wir den Fall Nummer drei: Die Hauswand, an der es nur ein paar Vorsprünge gibt, an die man sich hängen kann. Der Spielleiter gibt einen Malus von 5, oder einen Abzug von 20%.

Faldor kann nun auch ohne Patzer danebenliegen (15, 19, 19 zum Beispiel). Aber er hat immer noch 99% Chance. Im Prozentsystem hat er nur noch eine Chance von 60%.

Der Meisterkletterer stürzt mit einer Wahrscheinlichkeit von 40% ab! Ok, oder er schafft es einfach nicht. Das ist realistisch? An einer Hauswand? Der ordentliche Dieb sollte da hochkommen! Ist zumindest mein Standpunkt.

Nun gut, vielleicht sind die 80% Klettern ja für einen Meister zu wenig. Nehmen wir 90. Nehmen wir 100. Dann hat er nun immer noch direkt 20% Chance, das nicht zu schaffen. Wieso sollte dem so sein? Ein Meisterkletterer kommt an so etwas hoch!

Oham hat bei DSA immer noch eine Chance von 25%. Das erscheint mir in Ordnung. Der ist einigermassen geübt, nur halt kein Profi, aber das ist eventuell schaffbar. Im Prozentsystem hat Oham nun nur noch 10%. Kann man drüber streiten. Aber wenn wir ihn vorhin auf 68 hochgepusht haben, hat er nun eine Chance von fast 50%, das zu schaffen ... das passt auch nicht!

Frikki kann das bei DSA kaum noch schaffen. Er muss alles mit maximal 5 würfeln, das klappt in ca. 2% der Fälle. Klar, wie auch. Finde ich auch realistisch, by the way. Im Prozentsystem hat er hier auch keine Chance, das ist realistisch.

Wie man leicht sieht: Der Aufschlag von "+5" auf die Probe hat bei allen Charakteren bei den DSA-Regeln im Prozentbereich ganz andere Auswirkungen. Aber genau das halte ich für gelungen! Es ist eben nicht für jeden gleich viel schwieriger, eine Hauswand hochzuklettern als ein Seil zu besteigen. Der Meisterdieb klettert da flugs hoch, der hat damit eben noch gar kein Problem. Der Wenigkönner kann es eben in der Regel schlichtweg nun nicht mehr.

Und das ist da, was ich am Dreierwurf toll finde. Ja, richtig, der Spielleiter kann nicht mehr so genau einschätzen, "wie viel" er dem einzelnen Spieler die Probe erschwert. Aber das ist genau der Punkt - er weiß dennoch, dass "+10" eine Probe meist unschaffbar macht - aber Faldor schafft sie eben dennoch noch mit fast 90%! Weil er eben ein absolut spezialisierter Kletterer ist. Und, wer die Regeln kennt, weiß: Wenn Faldor genau das so gut kann, kann er sonst meist nicht viel anderes ... aber das kann er dann.

Und das macht es dann auch bei DSA wieder möglich, epische Dinge zu tun - was ja sonst immer ein wenig totgesagt wird ...