Kraken Unleashed: Crossroads Inn

Ich habe Crossroads Inn durchgespielt (nun gut, die Kampagne des Spiels). Ich hatte den Kickstarter irgendwann entdeckt (vielleicht habe ich den auch empfohlen bekommen? Gut möglich). Das Spiel sah vielversprechend aus, also habe ich da mitgemacht.
Was wir haben, ist eine klassische „Realzeit“-Wirtschaftssimulation (Realzeit darum in Anführungszeichen, da wir natürlich a) viel schneller spielen als die Realität und b) manche Sachen auch in der verkürzten Zeit viel schneller gehen, so ist z.B. ein Feld innerhalb weniger Spieltage voller Früchte, wenn es gerade erst angepflanzt wurde). Und wie der Name schon sagt, spielt man einen Kneipenbesitzer und baut und erweiterte sein eigenes Gasthaus. Dort gibt es zunächst nur Getränke, später dann auch Essen, Schlafplätze, Glücksspiel, Barden, Abenteurer und Vedetas (Kurtisanen).


Besonderheit hier ist der erst einmal vorgesehene Kampagnenmodus, der die Geschichte erzählt, wie der Kneipenbesitzer zum König wird.
Und genau den soll man auch zuerst spielen. Das Spiel bietet zwar auch einen Sandbox-Modus an und diverse Szenarien, aber wenn man die am Anfang anklickt, empfiehlt das Programm, erst einmal die Kampagne zu spielen.
Diese hat einen gewissen Tutorial-Charakter: Die erste Kneipe steht schon, wir müssen sie noch mit essentiellen Dingen (zunächst nur zum Getränkeverkauf) ausstatten und dann eröffnen. Kurz danach erscheinen Gäste, die wir bewirten müssen. Dann kommt auch bald die Logistik: Getränke nachkaufen, das Gasthaus erweitern.
Anfangs lernt man die Dinge noch Schritt für Schritt, dann hat das Spiel eine steile Lernkurve, weil es einem eben nicht alles vorgibt. Auf manche Sachen muss man selbst kommen, das ist wohl auch durchaus so gewollt.
Die Grafiken sind schön und liebevoll, man kann sich gut einen Überblick verschaffen, andererseits auch nah heranscrollen und schauen, was Gäste und Mitarbeiter so anstellen (wird spätestens bei den Vedetas interessant). Das Aufbauspiel ist schön gestaltet, man kann wirklich nach und nach ein richtig dickes Gasthaus dahinsetzen, das dem „Tänzelnden Pony“ in nichts nachsteht.
Allerdings hat das Spiel einige Bugs. Ich würde dieses Spiel vom Entwicklungsstand her als Beta (oder Early Access) einschätzen, es wird aber als „fertig“ vermarktet. Die Bugs sind so zahlreich, dass sie beim einigermaßenen Testen auffallen müssen. Natürlich gibt es Grafikbugs – nicht alle Dinge passen zu 100% zueinander – aber die meine ich am wenigsten. Problematisch wird es, wenn eine Person auf einmal in einer Treppe eingeschlossen wird. Und genau da lässt einen das Spiel dann alleine, wie man das Problem löst: Hat man mehrere Etagen darüber, muss man, um die Treppe abzubauen und dann wieder neuzubauen die oberen Etagen an der Stelle abreißen (was nervig ist, wenn da z.B. Tische stehen an denen jemand sitzt, geht das nicht, bis die weg sind). Ferner kostet es Gulden (die Ingame-Währung), obwohl man nur einen Bug umgehen will. Das Problem ist nämlich, dass Mitarbeiter, die in der Treppe festsitzen, bezahlt werden, aber nix dafür tun.
Einige andere Bugs betreffen den Spielverlauf: So hatte ich bei der Kampagne zufällig einer Person einen Raum vermietet. Kurz danach schloss man daraus, dass ich mich mit dieser Person (bzw. der Gruppe, für die sie stand) verbünden will, weil ich der Person, mit der ich mich verbünden will, einen Raum vermieten sollte. Das bekam ich aber erst danach mit – da hatte ich die Entscheidung somit gefällt, ohne das aktiv zu wollen.
Außerdem gibt es Skurrilitäten: Man schaltet bei bestimmten Entscheidungen in der Story irgendwo das Nacktbild einer Adeligen frei, das man für 1 Gulden in der Kneipe aufhängen kann (was nix ist, es geht normalerweise erst ab 50 Gulden los). Das Bild erhöht aber die Qualität des Raumes, in dem es ist, geringfügig. Nun kann man einen großen Raum mit Nacktbildern für quasi umsonst vollhängen - und hat einen 5-Sterne-Raum ...
Ferner ist der Schwierigkeitsgrad völlig unbalanciert. Die Kampagne besteht aus mehreren Akten. Am Anfang ist das Gasthaus schon da, man baut noch ein wenig weiter, dann wird es zerstört (was gar nicht schlecht ist, da man am Anfang sowieso vieles falsch macht). Man startet dann neu durch und baut das neue Gasthaus. Dann kommen irgendwann Soldaten und bereiten Schwierigkeiten, das alles habe ich aber quasi in einem Spielverlauf durchbekommen, ohne größere Schwierigkeiten (evtl. mal mit Speichern und Neualden).
Dann kommt in der Story aber ein Kanzler, der Steuern eintreibt. Das sollen wohl „besondere Challenges“ sein. Damit entfernt man sich vom Aufbauspiel, man ist nur noch damit beschäftigt, auf diesen Kanzler und seine absurden Forderungen zu reagieren.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass diesen Teil jemand schafft, der das Spiel einfach so durchspielt, vorher nichts darüber und das noch nie gemacht hat. Der Kanzler verlangt einige Dinge, die man unmöglich erfüllen kann, wenn man das nicht von vornherein weiß. So verlangt er extra-viele Steuern, wenn das Gebäude mehr als eine Etage hat – ich hatte zu dem Zeitpunkt ein vierstöckiges Gasthaus. Somit wird man sehr schnell arm. Völlig absurd wird dann, wenn der Kanzler einen Geldbann verhängt: Man darf nicht mehr als 1500 Gulden in Bargeld haben, ich sollte ihm aber 40.000 Gulden an Steuern zahlen (und ja, er will das auf einmal haben).
Nach mehrfachem Fluchen habe ich diesen Teil dann durchbekommen (in dem durchaus das Spiel in der Sackgasse enden kann, dass man dem Kanzler sein Gasthaus schenkt, weil es der letzte Button ist, der aus dem Menü herausführt). Und danach kommt dann der letzte Teil – der geht einfach straightforward, man kann ruhig vor sich hin spielen. Da gab es zumindest in meiner Variante (der Spielverlauf unterscheidet sich nach den Aktionen des Spielers) keine Schwierigkeiten.
Ich weiß nicht, was diese Lernkurve oder diese unerwartete Anhebung des Schwierigkeitsgrades soll. Ich war jedenfalls ziemlich genervt.
Was bei dem Spiel ganz gut geht: Man kann das Gasthaus manchmal einfach eine Weile stehenlassen und nachher schauen, wie viel Geld man verdient hat.
Und: Das Wuseln der Leute und das Gefühl, alles im Griff zu haben ... Alles in Allem macht mir Crossroads Inn Spaß. Aber mit weniger Bugs und mehr Tests vor dem Release wäre eben noch viel mehr möglich gewesen.