Self-Publishing-“Verlage“ und Druckkostenzuschussverlage

Ich habe in letzter Zeit, vor allem durch das Studium diverser Seiten bei Facebook, immer wieder Fragen nach „Selfpublisher-Verlagen“ gesehen. Offenbar gibt es da mittlerweile einige, die sich so nennen.
Das finde ich hochinteressant.

Zunächst: Ich, bzw. der Böse Drache Verlag, ist KEIN Selfpublishing-Verlag. Wenn jemand bei mir einen Buchvertrag bekommt, dann bekommt derjenige von mir Geld. Nicht ich von ihm. Und das zeichnet einen Verlag aus.
Ich trage als Verlag das Risiko, ich muss die Dinge, die für das Buch wichtig sind (neben dem eigentlichen Schreiben) eben bezahlen – wie das Cover, das Lektorat, den Druck. Das ist die Verlagsleistung. Da ich dann derjenige bin, der das Risiko eingeht, geht auch ein Teil des Geldes an mich, aber: Der Autor ist immer derjenige, der NUR GELD BEKOMMT. Wenn sich das Buch schlecht verkauft, nur den vereinbarten Vorschuss (da unterscheide ich mich von anderen Verlagen: Der dürfte z.B. beim Böser Drache Verlag erstmal nicht so hoch sein), wenn sich das Buch gut verkauft, auch die Tantiemen (bei denen bin ich dafür gerne z.B. auch großzügiger).
Alles andere ist eigentlich kein Verlag, jedenfalls nicht im klassischen Sinne.
Und bisher ist es auch immer so gewesen: Der Verlagsvertrag, womöglich bei einem deutlich renommierteren Verlag als dem Böser Drache Verlag, ist der Ritterschlag. Man muss ein Manuskript haben, das so gut ist, dass der Verlag das haben will. Wer bei Heyne oder Pieper veröffentlicht, hat das geschafft. Das heißt nicht, dass man von einem Buch automatisch leben kann.
Nun gibt es, auch das ist nicht neu, „Verlage“, die anders arbeiten. Druckkostenzuschussverlage, DKZVs. Das ist erstmal nicht unbedingt „böse“. Früher mussten Dissertationen veröffentlicht werden, und zwar als Buch, und Pflichtexemplare an diverse Bibliotheken geschickt werden. Sehr oft waren diese Dissertationen aber für niemanden außer etwa zehn Fachleuten weltweit von Interesse. Und das wussten auch alle Beteiligten. Sprich, die Dissertation wurde in einem solchen DKZV aufgelegt, die Pflichtexemplare an entsprechende Stellen geschickt, und gut war es. Natürlich war dem Verlag von vornherein klar, dass da quasi nichts von verkauft wird, und auch der neue Doktor verschloss seine Augen nicht davor, dass er nun zwar einen Titel bekam, aber keinen Bestseller geschrieben hatte. Darum bezahlte er den DKZV dann auch, wie der Name schon sagt, und alle Beteiligten waren mit dem Geschäft zufrieden (gut. Ob immer, mag ich nicht zu sagen. Aber von der Idee her). Das Buch bekam dann natürlich kein Lektorat, und ob das Cover taugt, ist auch da von Fall zu Fall verschieden.
Und natürlich kann man auch diesen Verlagen außerhalb des Dissertationsdrucks eine Existenzberechtigung zugestehen. Wenn jemand eine schöne Gedichtsammlung geschrieben hat – das ist der Klassiker – und die gerne unter das Volk gebracht und als schönes Exemplar bei sich im Schrank stehen haben möchte, dann ist so ein Verlag genau das Richtige. Wenn man nicht irgendwo anders her schon einen Namen hat, wird nämlich niemand eine solche Sammlung kaufen. Woher ich das weiß? Nun. Wer hat Gedichtsammlungen im Regal stehen? Ich habe, wenn ich mich richtig erinnere, drei: Eine von Berthold Brecht, eine von Thomas Gsella und eine, die von Robert Gernhardt herausgegeben wurde. Diese drei sind nun überhaupt nicht unbekannt. Gsella und Gernhardt kannte ich vorher aus der Titanic. Und es sind ganze drei, von mehreren tausend Büchern. Alleine locker über tausend Heftromane lagern hier. Einem Fantasy-Roman eines mir unbekannten Autors eine Chance geben? Das tue ich öfter. Eine Gedichtsammlung eines mir unbekannten Autors? Die kann da liegenbleiben. Und damit bin ich nicht alleine. So kann der Autor, der weiß, wie es auf dem deutschen Markt um Gedichtsammlungen bestellt ist, gerne bei einem DKZV sein Buch in den Handel bringen und dafür bezahlen. Er sollte nur vorher wissen, dass nun sein Freund am anderen Ende der Republik das Buch kaufen kann – wenn er es bestellt, im Laden liegen wird es nicht. Und das war es dann üblicherweise auch schon mit den Käufern. Aber solange keine falschen Hoffnungen geweckt werden, ist so ein DKZV in Ordnung. Es ist nur eigentlich kein Verlag, weil man für die Veröffentlichung eben bezahlen muss.
Nur sollte niemand auf die Idee kommen, sich mit einer solchen Veröffentlichung zu brüsten. Die Dissertation hat natürlich ihren Wert an sich, aber der Gedichtband ist bei der Agentur- oder Verlagsbewerbung wohl eher hinderlich, wenn er bei einem DKZV verlegt wurde. Im besten Fall schadet sie nicht.
Nun gibt es aber auch diejenigen DKZV, die anders vorgehen. Sie findet man meist unter „Verlag sucht Autoren“. Um ein Beispiel zu bringen: Heyne z.B. inseriert nicht, dass sie Autoren suchen. Die Autoren gehen von selbst zu Heyne, und werden da reihenweise abgelehnt. Selbst bei mir haben schon ein paar Leute angefragt, ob ich ihre Bücher verlegen will. Sprich: Selbst ich brauche keine Anzeige "Verlag sucht Autoren".
Nun sieht man aber so eine Anzeige, und schon schickt man frohgemut sein Manuskript ein, bekommt dann nach einiger Zeit auch schon eine Antwort – und man ist angenommen. Toll! Also, quasi: Das Manuskript ist schon großartig, richtig toll, und genau das, was diesen Sommer gerne im Urlaub an der Nordsee gelesen wird. Leider hat der Verlag gerade aber einen Engpass, was den Druck angeht. Wenn man selbst ein wenig nachhilft, und sich selbst an den Druckkosten mit läppischen 800 Euro beteiligt (Zahl völlig willkürlich), dann hat man schon bald sein Meisterwerk da, und die Tantiemen werden das Geld ganz bestimmt wieder reinbringen!
Nun spätestens gehen die Alarmsirenen an: Moment! Ich habe das Buch geschrieben, der Verlag will das drucken, also HAT DER VERLAG MIR GELD ZU GEBEN! Ganz vielleicht lasse ich mich darauf ein, dass ich „nur“ Tantiemen bekomme – aber GARANTIERT NICHT auf Druckkostenzuschüsse. (John Scalzi schrieb mal irgendwann, dass man seine Manuskripte nicht „unter dem Marktwert“ verkaufen sollte, und auch auf einem entsprechenden Vorschuss bestehen. Ich sehe das, je nach Zielsetzung, nicht ganz so kritisch, aber lasse das mal als Gegenmeinung stehen. Ist auch keine Gegenmeinung gegen meinen Zentralpunkt. Und Scalzi schreibt auf englisch, das ist ein anderer Markt.)
Das spricht sich in Autorenkreisen herum. Und somit warnen seit einigen Jahren viele Organisationen vor DKZVs. Natürlich gibt es immer noch genug neue Autoren, die darauf hereinfallen. Die denken, ach, mir wird das schon den Karriereschub geben, wenn das Buch erstmal veröffentlicht ist.
Dazu nur ein Beispiel: Nur, weil ein Buch erhältlich ist, und über die Barsortimenter auch (in geringer Stückzahl) verteilt wurde, ist es noch lange, lange nicht sichtbar. Man erinnere sich an den letzten Besuch in einer großen Buchhandlung. Endlose Reihen von Büchern, wie soll man da genau ein Buch finden? Und das Buch aus dem DKZV ist NICHT EINMAL DA. Es ist nicht im Regal der Buchhandlung. Es ist nur in einem Online-Katalog. Man kann es bestellen, aber da niemand für das Buch wirbt (wenn man das nicht selbst tut), tut das niemand. Der DKZV hat, im Gegensatz zum richtigen Verlag, der in mich als Autor investiert hat, kein Interesse, Geld in Werbung zu stecken. Ob mein Buch verkauft wird, ist zweitrangig, das passiert vermutlich eh nicht – und der DKZV hat ja sein Geld bekommen!
Also: Finger weg von den Druckkostenzuschussverlagen.
Nun gibt es die DKZVs seit einiger Zeit in einem neuen Gewand: Dem „Selfpublisher-Verlag“.
Als Selfpublisher bin ich mein eigener Verlag. Genau das ist die Definition von Selfpublisher. Englisch: Self, selbst. Englisch: Publisher, Verleger. Selbst-Verleger. Ich bin mein eigener Verlag! Wenn jemand sagt, er „verlegt Selfpublisher“, ist das ein Widerspruch in sich. An sich sollte das reichen, um die Absurdität klarzumachen. Aber machen wir weiter:
Unter so einem Namen finden sich meist nichts anderes als die altbekannten Druckkostenzuschussverlage in neuem Gewand. Denn: Der Selfpublisher als Verleger muss ja Geld ausgeben. Er braucht in der Regel einen Lektor, er muss, wenn er Printbücher drucken lässt (und das nicht über einen On-Demand-Dienst wie BoD oder Amazon CreateSpace machen lässt) Geld dafür investieren. Sprich, die Regel: „Der Autor kriegt das Geld“ gilt nicht im Selfpublishing. Da er da ja nicht nur Autor, sondern eben auch Verleger ist.
Aber es gilt nach wie vor die Regel: „Der Autor sollte wissen, was er tut“. Die Dienstleistungen, die ein „Selfpublishing-Verlag“, sind meist genau die alten: Er nimmt Geld für den Druck und Vertrieb des Buches.
Und das ist der Punkt: In dem Moment bin ich kein Selfpublisher mehr. In dem Moment bin ich jemand, dessen Bücher bei einem DKZV verlegt werden. Ich zahle Geld dafür, dass jemand meine Bücher verlegt.
Es gibt in der Branche seriöse Dienstleister, die Einzelleistungen (wie On-Demand-Druck oder Lektorate) zu fairen Preisen anbieten. Ich kann hier keine Empfehlungen aussprechen, da ich keine solchen in Anspruch genommen habe, sondern tatsächlich meinen Lektor selbst bezahle, mit meinem Geld. Dafür weiß ich dann auch, was er tut. Ebenso suche ich mir meine Druckerei selbst. In beiden Fällen kann ich meine Wahlen da gerne weiterempfehlen.
Also, liebe Selfpublisher: Kauft gerne Dienstleistungen ein, wenn ihr sie braucht. Wenn ihr jedoch einen Verlag haben wollt, sucht einen Verlag. Einen richtigen.
Aber sucht keinen Selfpublisher-Verlag. Das ist Unfug.