Selma Lagerlöf: Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen

Ich habe mal wieder auch ein Buch gelesen und nicht nur eines geschrieben.

Diesmal den Klassiker von Lagerlöf (Link zur Wikipedia). Einige der Leser kennen sicher die Zeichentrickserie, andere haben die Morgengrauen-Quest gespielt (wer das nicht getan hat, sollte das tun. Schon alleine wegen dieser großartigen Quest lohnt sich das Mogengrauen. Aber das lohnt sich auch sonst).

Zeit also, den Klassiker mal selbst zu lesen.

Was ist das Buch eigentlich und worum geht es? Es geht um Nils Holgersson, der böse zu den Tieren auf dem Hof seiner Eltern ist und sich zu allem Überfluss noch mit einem Kobold anlegt. Der bestraft ihn, indem er ihn selbst in einen Kobold verwandelt - nun ja. Eigentlich nicht, denn Nils bekommt keine Zauberkräfte, sondern nur die Größe - er ist nun eben ein Winzling.

Eine neue Heimat findet er bei den Wildgänsen unter der Leitung der großen Akka. Er reitet auf Martin, dem Gänserich seines Hofes, und bereist mit den Wildgänsen Schweden.

Es gibt in dem Buch keine finale Konfrontation, auf die alles hinausläuft - natürlich will Nils wieder ein Mensch werden, natürlich will er nach Hause zurückkehren, aber das ist auch alles. Stattdessen wird Schweden näher beleuchtet, oder eher Schweden, wie es damals war (der Roman erschien Anfang des 20. Jahrhunderts). Die Autorin war die erste Trägerin des Nobelpreises - das wusste ich bis neulich auch noch nicht.

Man erfährt Schöpfungsmythen über die einzelnen Landstriche - wie Riesen oder Asen die Gebirge formten oder verfolgt einen Flusslauf (die immer "Elf" genannt werden, was mich zunächst verwirrte) auf seinem Weg zum Meer, wie er sich mit anderen Flüssel streitet um dann am Ende doch seinen Namen tragen zu dürfen. Und man erfährt Geschichten von Studenten, Königen und anderen Leuten.

Ich denke, dass jemand, der Schweden kennt oder zumindest Teile davon, hier viel wiederfinden kann. Aber auch so ist die Geschichte über einhundert Jahre nach ihrer Entstehung noch schön zu lesen und hat auch viele schöne, dramatische Momente.

Auch die politische Ausrichtung Lagerlöfs wird deutlich. Geizige Gutsbesitzer sind in der Regel Bösewichter, fleissige und redlich handelnde Menschen werden belohnt oder zumindest positiv dargestellt. Immer wieder ist auch klar, dass jeder ein Heim braucht. Politisch war Lagerlöf auch eine Sprecherin für die Befreiung der Frau, mehr darüber im oben verlinkten Wikipedia-Artikel. Sicher ist ihre Sichtweise mit "der Macht am Herd" heute nicht mehr en vogue, damals war die Idee, dass die Frau auch Macht besitzt, natürlich geradezu revolutionär. Natürlich war Lagerlöf Christin, aber sie räumt der Religion keine absolute Vormachtstellung ein - in anderen Werken hat sie wohl auch versucht, Christentum und Sozialismus zu integrieren.

Im Unterschied zu Zeichentrick- und Quest-Adaption gibt es übrigens keinen Hamster im Original. Und der Fuchs heißt Reineke und nicht Smirre. Sicher fallen auch sonst noch jede Menge Unterscheide auf, aber ich muss gestehen, dass ich nicht alle Folgen gesehen habe. Einige Folgen habe ich aber im Roman auch wiedererkannt.

Das Buch ist überraschend lang (200k Wörter, also ca. 2 mal "Bernsteinkugeln" oder ein halber "Way of Kings" von Sanderson). Das ist in meinen Augen für ein Buch, das als Schulbuch gedacht ist, eine ordentliche Menge Material. Es ist an einigen Stellen natürlich, seiner Zeit und der Altersgruppe, für die es geschrieben wurde, auch ein wenig langatmig, aber es passiert eigentlich auch immer etwas. Insofern: Dieses Buch kann und sollte man lesen.

Und natürlich ist das Fantasy. Von mir aus "fabelhafte" Fantasy.